1. MZ.de
  2. >
  3. Leben
  4. >
  5. Reisen
  6. >
  7. Festessen: Festessen: Lecker Ostsee

Festessen Festessen: Lecker Ostsee

Von EKKEHART EICHLER 07.10.2010, 16:37

Halle/MZ. - Die Ostseemeeräsche ist ein cleverer Fisch", schmunzelt Richard Crohn. "Sie lässt sich nicht fangen, behaupten unsere Prerower Fischer." Woher denn dann das Prachtexemplar stamme, das da gut gekühlt auf Eis vor ihm auf dem Bistrotischchen liege? Nun ja, auf ihrer trickreichen Flucht vor den einheimischen Netzen würden die schlauen Fische irgendwann in Dänemark landen und dann entkräftet - Crohns Lächeln wird zum Grinsen - zur leichten Beute für die dortigen Fangfachleute werden. Über Hamburgs Fischhändler kämen die wertvollen Speisefische dann wieder retour in die Heimat.

Ob Küchenlatein oder Wahrheit, der schuppige Republikflüchtling jedenfalls gehört zu jenen ausgewählten regionalen Leckerbissen, die der Küchenchef des Romantik- Hotels "Namenlos" in Ahrenshoop seinen Gästen zwischen Mitte Oktober und Mitte November serviert. Dann nämlich bitten 15 Hotels und Restaurants auf der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst zu den Kulinarischen Wochen. Ein Festival der Gaumenfreuden, bei dem sich die besten Kochkünstler im Revier kreativ austoben.

Richard Crohn zum Beispiel schwört auf die regionale Küche. Allerdings in modernem Gewand. So kombiniert er seine Meeräsche mit Schaum vom Rügen-Apfel und kombiniert sie mit Rote Beete-Kügelchen, Gewürzmangoldgemüse und einem sehr leckeren Steckrübenpüree. Ähnlich geht Randy Jaskulski vor, der nebenan im Hotel "Der Fischländer" das Zepter in der Küche schwingt. Er hat sich für die Kulinarischen Wochen sogar eine Extra-Speisekarte einfallen lassen: u. a. mit Dorschfilet unter körniger Senfkruste auf Blattspinat oder Ostseeschnäpel auf Senfkohl mit Birne und Butterreis.

Für ihre anspruchsvolle Küche verwenden die jungen Wilden zudem nur erstklassige Produkte, zumeist aus der Nachbarschaft. Ob Darßer Weidelamm, Boddenaal oder Barther Eiertomaten - die Wege zum Erzeuger sind meist nicht weit. Bestes Bio-Fleisch von Rindern, Schafen, Wasserbüffeln etwa liefert gleich um die Ecke Gut Darß mit seinen 2 000 Mutterkühen, das auch besichtigt werden kann. Oder Biofrisch-Nordost in Teschendorf mit eigenem Hofladen in der Backsteinscheune. Ein Netzwerk von mehr als 50 Bio-Produzenten, die auch drei Dutzend Hotels und Restaurants beliefern: mit Obst und Gemüse, Brot und Backwaren, Fleisch-, Schinken- und Wurstspezialitäten, Naturkostprodukten und Naturdrogeriewaren. Insgesamt etwa 1 000 Artikel haben die Biobauern im Angebot.

Ähnlich verhält es sich mit dem hochwertigen Käse vom Ziegenhof Palmzin. Nur ein paar Ziegensprünge von Ostsee und Bodden entfernt züchtet Andrea Kurschus in dem 600 Jahre alten vorpommerschen Mini-Dorf Toggenburger - eine alte Landrasse von Milchziegen, die ursprünglich aus den Schweizer Alpen stammt. Widerstandsfähige, leistungsstarke Tiere mit langem Fell und dicken Hörnern, die außerdem noch ganz entzückend ausschauen. Nicht nur Kinder sind hin und weg, wenn etwa Chefziege Amanda am Koppelzaun um Streicheleinheiten bettelt oder die separat gehaltenen Böcke mit den lustigen Gesichtern ihre kleinen Revier-Raufereien zelebrieren.

Auf insgesamt elf ziegenfreundlichen Kräuter- und Wildgraskoppeln mit Klettersteinen und Unterständen lässt Andrea Kurschus ihre 80 Tiere grasen; die permanente Bewegung im Freien macht sie robust und hält sie gesund. Neben Kräutern und Gras stehen Baumschnitt und Rübengemüse, Hafer, Gerste, Mais und Obst auf der Speisekarte - das bekommt nicht nur den Ziegen bestens, sondern auch ihrer Milch. Zweimal am Tag zapft Andrea Kurschus ihren glücklichen Tieren diesen erstklassigen Rohstoff ab und fabriziert daraus in ihrer Käse-Manufaktur neun verschiedene Gourmet- Spezialitäten: Feta und Parmesan, Frischkäse und Mascarpone, Appenzeller und Räucherkäse. Zweimal pro Woche können Gäste ihr dabei zuschauen.

Knapp ein Dutzend kulinarische Veranstaltungen haben sich die Hotels und Restaurants außerdem einfallen lassen, um Feinschmeckern und Freunden der lokalen Küche an jedem Wochenende Außergewöhnliches zu präsentieren. Eine davon: die Küchenparty im Hotel "Meerlust" in Zingst. Eine Begegnung der besonderen Art, denn wo sonst schon kommen Gäste in hautnahen Kontakt mit jenen Könnern, die hinter den Kulissen für sie zaubern. Wo sonst schon dürfen sie unter professioneller Anleitung ihre Speisen selbst zubereiten.

70 Gäste rücken Chefkoch Thomas Kumpfe und seinem Team an diesem Abend auf die Pelle. Filettieren bretonische Schollen, zerlegen Hummer, schneiden Gemüse, braten Crêpes. Es ist eng und heiß, überall dampft und brodelt es, doch alle haben einen Mordsspaß: Man fachsimpelt über Rezepte, holt sich Tipps, lauscht sich Tricks ab. Und darf anschließend essen, so viel man mag und kann. Erschöpft, aber glücklich sinkt Chefkoch Kumpfe nach vier Stunden in einen Stuhl - auch dieses Mal wieder war die Küchenparty ein voller Erfolg.