Brescello Brescello: Fehde sei mit euch!
Halle (Saale)/MZ. - Moment mal, das ist doch...? Knöchellanges, schwarzes Gewand, schwarzes Käppi auf dem Kopf und gefaltete Hände. Weihevoll schreitet dieser Mann mit verschmitztem Lächeln unter den Arkaden entlang und bleibt mitten auf der Piazza Matteotti stehen, dem Marktplatz von Brescello. Ist dieser Mann Don Camillo? Nein, wie sollte er? Zwar wurden genau hier sechs Filme der "Don Camillo und Peppone"-Reihe rund um einen kommunistischen Bürgermeister und seinen Widersacher, den schlitzohrigen Gottesmann, gedreht, aber das ist 60 Jahre her.
Vielleicht ist der Herr in schwarz Brescellos heutiger Pfarrer, äußerlich seinem Film-Vorbild nacheifernd? Jetzt steuert er auf die wuchtige, strahlend weiße Kirche Santa Maria Nascente zu, in den Kino-Komödien stets Hauptschauplatz. Ebenso wie das Rathaus.
Nur weil dieses municipio - anders als in vielen italienischen Dörfern - nicht der Kirche gegenüber, sondern im rechten Winkel zu ihr liegt, wurde Brescello überhaupt Kulisse für den fiktiven Filmort Bosaccio. Denn in dieser Anordnung konnte der Regisseur die Kamera hin- und herschwenken lassen zwischen den Gebäuden der Dauerstreithähne. Die beiden stehen noch heute davor - als Bronzestatuen, so als habe man einen ihrer Filme angehalten. Vorm Rathaus Giuseppe Bottazi, genannt Peppone. Meist begriffsstutzig, aber immer aufbrausend, außen strammer Stalinist, innen eine Seele von Mensch. Mit dem Parteiblatt "Unità" in der Tasche, den Hut in der Hand grüßt er schräg über den Platz in Richtung Kirche zum bronzenen Don Camillo. Der hat Glupschaugen und ein Pferdegebiss wie sein Filmvorbild. 50 000 Besucher kommen pro Jahr nach Brescello - nur wegen Don Camillo und Peppone.
Sie sind die einzige Attraktion des schmucken 5000-Seelen-Dorfs zwischen Po und Parma - und zwar an jeder Ecke: Das im Film vorkommende "Caffè Ristorante Italia" heißt heute "Don Camillo", die ehemalige "Central Bar" ein paar Häuser weiter ist umgetauft in "Caffè Peppone". Natürlich gibt's Sandwich und Gnocchi, benannt nach den Filmhelden. Im Fotogeschäft posiert gerade ein Besucher und lässt sein Bild in eine Filmsequenz hineinmontieren. Keine Frage - so wie Salzburgs Getreidegasse sich mit Mozart die Kugel gibt, so machen sie es auch hier. Spielverderber ist ausgerechnet die Videothek: "Shining" heißt sie, bietet Will Smith und James Bond, aber weder Peppone noch Camillo.
Zurück zur Piazza. Was macht der geheimnisvolle Pfarrer? Eine Touristin nimmt gerade ihren ganzen Mut und alle Italienisch-Brocken zusammen: "Buon giorno, Signore, lei è Don Camillo?" "Si si", antwortet er und stellt sich in einem Gemisch aus Italienisch, Englisch und Gebärdensprache als offizieller Camillo-Darsteller des Ortes vor - seit 37 Jahren im Dienst. Buchbar über das Rathausbüro, also genaugenommen bei seinem Dauer-Widersacher, sagt er mit gespielter Verärgerung und fügt an, dass Peppone gleich erscheinen wird, bestellt - so wie er - von einer Nürnberger Reisegruppe.
Bis deren Bus um die Ecke rollt, plaudert die Don Camillo-Kopie reichlich übers Original. Ja, die Dreharbeiten Anfang der 50er Jahre: Der Ort im Belagerungszustand, mit Hunderten Komparsen. Nicht nur wegen der Massenszenen, etwa einer von Peppone angezettelten Demonstration. Nein, vor allem wegen der Essensrationen.
In diesem Moment unterbricht das Double den Anekdotenreigen, ruft "ah, communista!" über die Piazza. Die Begrüßung für seinen Widerpart, den Peppone-Darsteller. Er stürmt heran, perfekt gestylt mit Schnäuzer, grimmigem Blick und rotem Halstuch sowie angriffslustig hinter die Hosenträger geklemmten Daumen - Sekunden vor dem Nürnberger Reisebus. Nach einem witzigen Begrüßungs-Gezänk ziehen die beiden mit ihren Gästen zunächst über den Camillo & Peppone-Rundweg zu Filmschauplätzen und dann ins nahe Film-Museum.
Eine private Ausstellung, mit Liebe zum Detail: Der US-Panzer, mit dem sie in "Genosse Don Camillo" eine Friedenstaube vom Dach schießen, steht vor der Tür, auch die Räder, mit denen sie sich am Ende von "Die große Schlacht des Don Camillo" ein absurdes Rennen liefern. Besonders schön: Peppones Arbeitszimmer mit Stalin und Lenin an der Wand. Gut versteckt aber hat der große Kommunist auch ein kleines Marienbildchen im Blick - am Küchenschrank.