1. MZ.de
  2. >
  3. Leben
  4. >
  5. Pflichten gegenüber Eltern: Pflichten gegenüber Eltern: Schwiegersohn zum Unterhalt verpflichtet?

Pflichten gegenüber Eltern Pflichten gegenüber Eltern: Schwiegersohn zum Unterhalt verpflichtet?

Von Dorothea Reinert 16.01.2004, 17:54

Halle/MZ. - "Allerdings muss unterhaltspflichtigen Kindern ein angemessener Selbstbehalt bleiben", sagt Marie-Luise Merschky, Fachanwältin für Familienrecht in Halle. "Der Selbstbehalt beträgt derzeit 1 250 Euro, wobei die Hälfte des den Mindestbetrag übersteigenden Einkommens zusätzlich anrechnungsfrei bleibt."

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat bei der Unterhaltspflicht der Kinder gegenüber Eltern bereits 2002 weiteren Spielraum geschaffen. Danach müssen Kinder durch den Elternunterhalt eine dauerhafte Senkung ihres typischen Einkommens nicht hinnehmen, so lange sie nicht ein Leben in Luxus führen (BGH vom 24. 10.2002, Az.: XII ZR 266 / 99). Im Einzelfall kann das Einkommen der Kinder also durchaus höher sein als die allgemeinhin festgelegte Summe.

Die Crux für Betroffene an diesen und anderen BGH-Urteilen ist nach Ansicht von Merschky, dass sie offen lassen, wie hoch der angemessene Unterhalt von Kindern gegenüber ihren pflegebedürftigen Eltern konkret ist. "Es gibt hier keine allgemeingültige Summe", so die Anwältin. Für Klienten sei es oft schwer zu verstehen, dass ein höchstrichterliches Urteil zwar eine Orientierung geben könne, dennoch im Einzelfall eine juristische Prüfung vonnöten sei.

"Als Maß für den Elternunterhalt gilt die Lebensstellung, die dem Einkommen, Vermögen und sozialem Rang des Unterhaltspflichtigen entspricht", erklärt die Anwältin. "Im Streitfall sind die Lebensverhältnisse genau darzulegen. Der Richter muss dann entscheiden, welche Unterhaltshöhe er für angemessen hält."

Zunehmend gehen die Gerichte bei der Unterhaltsfrage der Kinder gegenüber Eltern von einem weiteren Gesichtspunkt aus. Sie gestehen zu, dass der Anspruch auf Familienunterhalt, der den Ehepartnern untereinander nach Paragraph 1360 Bürgerliches Gesetzbuch zusteht, auf deren Eigenbedarf angerechnet wird. Dies kann laut Anwältin zur Folge haben, dass der Unterhaltsschuldner seine eigenen Einkünfte voll für den Unterhalt seiner Eltern verwenden muss, wenn sein Eigenbedarf durch den Ehepartner gesichert ist.

Exakt das ist auch Dreh- und Angelpunkt von zwei BGH-Urteilen, die wegen der so genannten Schwiegersohnhaftung Familien in Aufregung versetzt haben (BGH-Urteil vom 17. Dezember 2003, Az.: XII ZR 224 / 00 und vom 14. Januar 2004, Az.: XII ZR 69 / 01). Sie sind insofern eine Sensation, da nach den linearen unterhaltsrechtlichen Regeln Sohn oder Tochter beim Unterhalt für Schwiegermutter oder -vater generell nicht herangezogen dürfen.

"Genau genommen ist das auch nicht geschehen", meint Marie-Luise Merschky. Es liegt jedoch eine verdeckte Schwiegersohnhaftung vor." Zwar muss der Schwiegersohn laut BGH-Urteil nicht tatsächlich für seine Schwiegermutter zahlen. Er muss jedoch seine Ehefrau unterhalten, die wiederum dann ihr Einkommen für die Eltern einsetzen muss. Die Fälle haben nach Aussage von Merscky auch unter Juristen für Aufsehen gesorgt. MZ-Leser wiederum fürchten, durch den "erweiterten Unterhalts-Familienzugriff des Sozialamtes" selbst zu "verarmen". Ist Ihre Sorge berechtigt? Die Familienanwältin räumt diese Sorge insoweit aus, als sich das Schwiegersohn-Urteil auf gut situierte Familien bezieht, also auf Familien, die über ein hohes Einkommen verfügen (siehe oben "Elternunterhalt für Gutverdienende").

Diskutiert wird in dem Zusammenhang zudem, ob die Ehefrau ihr "Taschengeld" für die Eltern einsetzen muss. "Nach Paragraph 1 360a BGB hat der haushaltsführende Ehepartner gegenüber dem verdienenden Ehepartner einen Anspruch auf Taschengeld. Er wird in der Regel mit fünf Prozent des bereinigten Einkommens bemessen", merkt die Familienanwältin an. Auch hier hat der Bundesgerichtshof einen neuen Akzent gesetzt. Nach seiner Entscheidung kann das Taschengeld zum Teil herangezogen werden (siehe unten "Taschengeld für Heimkosten).

Inwieweit sich daraus Konsequenzen für die Schwiegersohn-Urteile ergeben, müssen die entsprechenden Oberlandesgerichte jetzt feststellen. Der Bundesgerichtshof hat zwar in Bezug auf die verdeckte Schwiegersohn-Haftung seine Entscheidungen gefällt. Er hat jedoch keine Aussage über die Höhe des Unterhalts gegenüber den Schwiegermüttern getroffen. Das müssen die Oberlandesgerichte anhand des Einzelfalls entscheiden.

Die Beispiele zeigen Merschky zufolge die schwierige Problematik bei Unterhaltsforderungen gegenüber Kindern für Eltern: "Es kommt immer auf die Einzelfall-Konstellation an." Insofern ist in vielen Fällen angesichts von Sozialamtsforderungen juristischer Rat empfehlenswert. Bedürftige können sowohl Beratungs- als auch Prozesskostenhilfe in Anspruch nehmen.