1. MZ.de
  2. >
  3. Leben
  4. >
  5. Naturkost: Naturkost: Discounter springen auf Bio-Welle

Naturkost Naturkost: Discounter springen auf Bio-Welle

Von Maren Martell und Klaus Tscharnke 20.02.2006, 13:20

Berlin/dpa. - Atemberaubende Wachstumsraten vor Augen, fordern nun auch Aldi & Co ihren Anteil am lukrativen Öko-Kuchen ein, berichteten Branchenvertreter kurz vor der Weltleitmesse für Naturkost «Biofach» in Nürnberg, die bis Sonntag (19. Februar) dauert.

Der Lebensmittel-Discounter Plus hat schon seit 2002 Ökoprodukte unter der Eigenmarke BioBio in den Regalen. «Das ist ein dynamisch wachsendes Sortiment», betont eine Sprecherin des Tengelmann- Discounters. In den kommenden Monaten soll das Öko-Angebot in den 2800 Filialen auf 100 Produkte aufgestockt werden. Aldi ist nach Einschätzung von Branchenexperten mittlerweile der größte Abnehmer deutscher Bio-Kartoffeln. Und bei Lidl (Schwarz-Gruppe) sollen von März an die ersten Bio-Produkte in den Regalen stehen.

«Bio ist schon längst keine Nische mehr», heißt es auch bei der Rewe-Gruppe (Rewe, minimal, Toom, Penny). Der zweitgrößte Handelskonzern setzt schon seit 1988 mit seiner Eigenmarke «Füllhorn» auf «Bio» (300 Produkte). Derzeit bauen die Düsseldorfer eine eigene Bio-Kette unter dem Namen «Vierlinden» auf. Bereits im vergangenen Jahr wurden Filialen mit bis zu 7000 verschiedenen Öko-Artikeln in Düsseldorf und Köln eröffnet. Weitere sollen folgen - vorerst nur in Nordrhein-Westfalen.

Der konventionelle Einzelhandel reagiert mit der Ausweitung seines Bio-Sortiments auch auf die rasante Expansion der so genannten Bio- Supermärkte, die cooles Design und moderne Ausstattung auszeichnet.

Marktführer ist Alnatura mit mittlerweile 22 Filialen. Bis 2010 sollen es mindestens 40 Läden sein. Allein im vergangenen Jahr konnte die Kette ihren Umsatz um 24 Prozent auf 145 Millionen Euro steigern. Auch in diesem Jahr werden zweistellige Zuwachsraten angepeilt. Die Alnatura-Eigenmarke umfasst insgesamt 600 Produkte, die in 2250 Super- und Drogeriemärkten vertrieben werden. In den eigenen Läden werden gut 5500 Bioprodukte angeboten, darunter auch Öko-Textilien und Naturkosmetik.

Seit 2001 gibt es mit der Hamburger Erdkornkette des ehemaligen Aldi-Managers Thomas Hinz auch die ersten Bio-Discounter. Die Märkte mit einem überschaubaren Sortiment sind nach dem fernöstlichen Feng- Shui-System aufgebaut. Rund 25 Filialen in ganz Deutschland sind geplant. Derzeit hat Erdkorn Standorte in Berlin, Hamburg, Lübeck, Kiel, Hannover und Köln.

Der Zukunftsforscher Matthias Horx sieht in diesem Trend zur Verbreiterung der Absatzkanäle für Bioprodukte den Hinweis, das Bio «endlich in der gesellschaftlichen Mitte angekommen ist». Den Sprung der Discounter auf das Bio-Trittbrett sieht allerdings auch er mit Skepsis, wie er in Nürnberg betonte. «Nach meinem Eindruck setzen die Discounter bei Bioprodukten nur auf eine Mode, aber nicht auf einen tief sitzenden Trend», befürchtet er. Auch der Vorstand des Verbandes Ökologischer Lebensmittelwirtschaft, Götz Rehn, ist skeptisch: «Die Frage wird sein, ob die Discounter das Herz der Kunden erreichen.»

In einem Punkt hinterlässt die Marktpräsenz von Aldi & Co bereits erste Spuren: Nach Erkenntnissen von Götz sorgen die Mega-Order der Discounter für erste «Angebotslücken». Vor allem Bio-Fleisch, aber auch Bio-Milch und Bananen aus biologischer Erzeugung seien in einigen Regionen Deutschlands knapp geworden. Der von den Ketten ausgeübte Preisdruck sorgt dabei für ein Paradoxon: Trotz der hohen Nachfrage kämen die Erzeuger immer weniger auf ihre Kosten. Demeter- Bauern in der Region Stuttgart etwa hätten erst unlängst beklagt, sie könnten ihre Produkte nicht mehr zu Kosten deckenden Preisen absetzen.