Konfliktbereitschaft Konfliktbereitschaft: Etwas Biss schadet nicht

München/dpa. - Denn «Everybody's darling is everybody's depp»- wer sich überall beliebt machen will, gilt schnell als nützlicherIdiot. Und das kann auf Dauer nicht gut sein.
Andererseits sind «Alphatiere» mit permanent ausgefahrenenEllenbogen ebenfalls nicht überall gern gesehen. Im Berufsalltag istdaher oft der Spagat zwischen Durchsetzungs- und Einfühlungsvermögengefragt. Ob jemand eher gefährdet ist, zu ruppig zu reagieren oder zusoft rüberzukommen, hängt vom Einzelfall ab. Irene Becker warntjedenfalls, die Harmoniefalle zu unterschätzen: Wer Konflikte scheut,nur um niemanden zu verärgern, schade sich selbst, sagt dieManagementtrainerin aus München.
«Das greift sehr um sich, dieses Duckmäusertum, auch weil derDruck in vielen Unternehmen zugenommen hat», erklärt Becker. «Dannheißt es: Bloß nicht auffallen, bloß nicht anecken. Aber auf Dauerist das kontraproduktiv.» Denn attraktive Stellen, erst recht inleitender Position, würden gerade nicht an Mitarbeiter vergeben, diesich vor allem durch Kuschen auszeichnen. Bei Beförderungen sei esaußerdem oft so, dass nicht nur der direkte Vorgesetzte entscheidet,der möglicherweise gehorsame Duckmäuser durchaus zu schätzen weiß. «Auf der Ebene darüber kommt das aber nicht mehr positiv an», sagtdie Coaching-Expertin und Buchautorin.
Prof. Jens Weidner, Aggressionsexperte aus Hamburg, schlägt in diegleiche Kerbe: Im Berufsleben sei Konkurrenz unvermeidlich, nicht nurzwischen Unternehmen. Wer nicht über den Tisch gezogen werden will,müsse sich gegen andere behaupten. Und wer seine Interessen dannnicht offensiv vertritt, habe das Nachsehen, argumentiert Weidner undplädiert dafür, ruhig «positive Aggressionen» einzusetzen. Die«Peperoni-Strategie» nennt das der Professor fürErziehungswissenschaften und Kriminologie in seinem neuesten Buch.
Die Peperoni steht für Schärfe und Durchsetzungskraft - wie beider scharfen Schote kommt es auf die richtige Dosierung an.Ausschließlich Paprika-Süße, also Teamgeist und Einfühlungsvermögen,sei verkehrt. «20 Prozent Peperoni» empfiehlt Weidner als optimalenMix.
Denn es kann sogar in Stress ausarten, zu nachgiebig zu sein: «Werimmer Ja und Amen sagt, übernimmt sich irgendwann und kriegt dasnicht mehr auf die Reihe», warnt Irene Becker. Konfliktbereitschaftsei deshalb wichtig. «Man muss lernen, konstruktiv zu streiten undausprobieren, wie viel Widerstand man sich traut.»
Wie immer bei solchen Ratschlägen ist allerdingsFingerspitzengefühl gefragt. Denn wer zu nassforsch auftritt, machtmöglicherweise mehr kaputt als er erreicht. Aggressionen amArbeitsplatz seien zwar völlig normal, sagt Karrierecoach ChristineÖttl aus München. Und es sei auch falsch, sich dafür zu verurteilen.«Wenn es passiert, passiert es. Aber Aggressionen einfachrauszulassen, ist nur für den Moment gut», gibt Öttl zu bedenken.«Wer sich regelmäßig so verhält, dem gehen Kollegen bald einfach ausdem Weg.»
Sich durchzusetzen, indem die Widerstände der anderen gebrochenwerden, hält Öttl nur für eine mögliche und nicht immer die besteAlternative: «Zum einen muss man immer gucken, ob die Nein-Sagernicht eventuell Recht haben und darf den anderen nicht gleich alsBlockierer abqualifizieren», sagt die Expertin fürMitarbeiterführung. «Und dann kann man eine Idee auch sodurchsetzen, dass sie von allen mitgetragen wird.»
Wichtig sei zwar, Klartext zu reden. «Aber man bekommt auch ohneZwang vieles durch.» Wer dagegen ständig auf Konfrontationskurs ist,riskiere auch viel, warnt Öttl: «Der Stresspegel ist dann enorm. Esgibt Leute, die halten das aus, aber nicht alle und nicht unbegrenztlange.»
Irene Becker: Everybody's Darling, everybody's Depp. Tappen Sienicht in die Harmoniefalle, Campus, ISBN 3-593-37772-1, 14,90 Euro
Jens Weidner: Die Peperoni-Strategie, Campus, ISBN 3-593-37788-8,19,90 Euro.