Karibik Karibik: Authentisches Aruba

San Nicolas/dpa. - Voller Geigen hängt der Himmel hier zwar nicht. Doch immerhin baumeln eine Gitarre und Glocken an der Decke - zwischen verstaubten Schildern, Karten, Propellern und anderem Nippes, den Gäste seit 1941 in «Charlie's Bar» zurückgelassen haben. «Hier ist das wahre Aruba», macht Charles Brouns Junior Touristen gleich zu Beginn klar. Der 60-jährige Wirt sollte es wissen, schließlich hat er vor mehr als 25 Jahren vom Vater eine Kneipe übernommen, die schon damals legendär war.
Bereits mittags ist der Laden voll: Drei farbige Frauen mittleren Alters, mit Gold behangen und viel zu dick für die knappen Oberteile in Violett und Rosa, leeren lachend am Tresen ihren Rum-Punsch. Einheimische und Urlauber mischen sich hier. Der Alkohol lockert die Zungen: Schnell kommen Fremde ins Gespräch.
Authentizität ist allerdings das einzige Pfund, mit dem San Nicolas wuchern kann. Attraktiv ist der Ort nicht. Die Luft hier riecht nach Benzin und Lösemitteln. Viele Gebäude sind baufällig. Das einzige Hotel, das hier jemals gebaut werden sollte, wurde nie fertig gestellt: Der Rohbau aus Beton und Stahl verrottet.
Am Eingang der Bar deuten Schilder auf den vergangenen Wohlstand hin: «Ist San Nicolas ein Wort mit vier Buchstaben?», steht dort zu lesen. Früher hätte die Antwort «Ja» lauten müssen. San Nicolas war Lago. Die Stadt war abhängig von der US-amerikanischen Lago Oil and Refinery Company, die das ehemalige Fischerdorf in den zwanziger Jahren entdeckte und hier die damals größte Erdölraffinerie der Welt errichtete. Mit dem Rohöl aus dem nahe gelegenen Venezuela kamen die Dollars nach Aruba - und hier in San Nicolas wurden sie verdient.
Ausgegeben wurden das Geld in den damals 35 Kneipen der Stadt, deren bekannteste «Charlie's Bar» wurde, weil ihr Wirt, Charles Brouns Senior, ein großes Herz und für alle ein offenes Ohr hatte. 1977 bekam er für sein soziales Engagement sogar einen Orden von der niederländischen Königin, die auch heute noch das Oberhaupt der rund 100 000 Arubaner ist. Als Charlie 1989 starb, war San Nicolas bereits auf dem absteigenden Ast. Lago hatte 1985 über Nacht den Ölhahn zugedreht. Obwohl die Raffinerie von einer anderen Firma teilweise weiterbetrieben wird, ist die Situation des Ortes Charlie Junior zufolge trostlos: Mittlerweile warteten selbst die Prostituierten auf ein Wunder. «Es gibt keine Seeleute und keine Vertragsarbeiter mehr.»
Mit neidvollem Blick schauen die Menschen von San Nicolas heute in den Norden der Insel. Schneeweiß statt schwarz ist der Stoff, der heute die Dollars bringt: Vor allem die von Palmen und türkisfarbener See eingefassten Sandflächen am Palm und Eagle Beach - zwölf Kilometer lang und fein wie Pulver – bilden das Fundament der Inselwirtschaft. Hier reihen sich auch die meisten Hotels aneinander – mal stilvoll gebaut auf Palmenhöhe, mal klotzig als Bettenburg mit bis zu zwölf Etagen. Sie verpflegen die Mehrheit der jährlich rund 700 000 überwiegend amerikanischen Gäste.
So wie sich die Strände Arubas zu einem perfekten Standort der Entspannungsindustrie gewandelt haben, ist die Hauptstadt Oranjestad zu einem Einkaufsparadies geworden: In den Passagen und den kolonial aussehenden Gebäuden mit makellosen Fassaden in Gelb, Blau, Rosa oder Apricot finden zahlungskräftige Touristen alles, was es auch woanders gibt: Juwelen, Schmuck, Nobelboutiquen und internationale Restaurants - die Seele Arubas finden sie hier allerdings nicht.
Informationen: Aruba Tourism Authority, Postfach: 12 04, 64333 Seeheim (Tel.: 06257/96 29 21, Fax: 06257/96 29 19, Internet: www.aruba.de; «Charlie's Bar» (Internet: www.charliesbararuba.com)