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Handarbeit Handarbeit: Mit Stricknadeln und Wolle gegen den Stress

Von Susanne Höke 19.09.2006, 19:46

Belfast/Salach/dpa. - Zwei silbrige Stricknadeln und einKnäuel kuscheliger Wolle anstelle von Yogamatte und Blutdrucksenkenden Mitteln: Nicht nur Stars wie Madonna, Julia Roberts und UmaThurman haben die entspannende Wirkung des klappernden Spiels mitNadel und Wollfaden für sich entdeckt. «Stricken ist der perfekteStressbewältiger. Durch die Wiederholung einer langsamen Handlung hates dieselbe Wirkung wie eine Meditation und senkt sogar denBlutdruck», hat Paul Handforth herausgefunden. Der Psychologe leiteteine Stress-Management-Klinik im nordirischen Belfast.

In Großbritannien ist das Stricken in Cafés, Gesprächsgruppen undsogar U-Bahn-Treffs das neue Trendhobby schlechthin. «Und auch inDeutschland wird Stricken immer populärer», sagt Angela Probst-Bajakvon der Initiative Handarbeit in Salach bei Göppingen(Baden-Württemberg). Ihr Verband, in dem sich Hersteller imHandarbeitsbereich zusammengeschlossen haben, kann seit MonatenZuwächse im zweistelligen Bereich verzeichnen.

Eine Erhebung der Initiative Handarbeit hat ergeben: Rund einViertel aller deutschen Frauen strickt mindestens einmal im Monat -Tendenz steigend. «Erstens ist Stricken eine Art Gegenbewegung zurTechnisierung des Alltags. Zweitens ist da der Wunsch nachKreativität. Es ist wunderschön, dass aus einem Faden etwas entsteht,das umhüllt und wärmt», erlärt Probst-Bajak die wieder entdeckteLiebe zum Selbstgestrickten.

Darüber hinaus sei Gestricktes ein Modetrend des Herbstes. «Aufden Catwalks aller großen Designer wird Strick gezeigt. Sehr vielejunge Frauen zwischen 16 und 20 entdecken das Stricken für sich»,sagt Probst-Bajak. Darüber hinaus sei das kreative Nadelspiel «Yogafür die Hände», durch das Puls und Blutdruck gesenkt werden könnten.

Dabei geht es beim Stricken heutzutage nicht mehr so einfach zuwie zu Omas Zeiten. «Es gibt heute sehr edle, neue Garne wie Merinooder Kaschmir. Außerdem haben die Leute weniger Zeit; es sollschneller gehen. Daher werden dickere Nadeln verwendet», sagt dieExpertin. Auf der Webseite ihrer Initiative Handarbeit finden moderne«Needle Worker», so der Trendbegriff, modische Strickanleitungen undein Forum für den Austausch mit anderen Handarbeitsfans.

Die Verbindung von Lieblingshobby und Internetpräsenz hat auchKarolina Ded aus Köln für sich entdeckt: «Durch meine WebsiteApoplexy kann ich meine Kreationen präsentieren. Ich kann durchdieses Medium aber auch andere Menschen motivieren undHilfestellungen bieten», erklärt die Strickdesignerin.

Zu den Rennern ihres Webladens gehören selbst entworfene, selbstgestrickte Eierwärmer: «Ich habe mit Pullovern angefangen», undirgendwann habe sie dann Eierwärmer mit Tierthemen oder zu speziellenBerufen gestaltet. «Durchs Stricken kann ich meine Kreativitätausleben und meine Ideen verwirklichen. Ein wunderbares Hobby»,schwärmt Ded.

Modernes Stricken habe nichts mit dem Hausmütterchen- oderÖko-Image vergangener Tage gemein, sagt Ded: «Stricken wird immerbeliebter, da es immer schönere Garne und immer modernereStrickanleitungen gibt. Zudem ist es toll, sich im Internet oder inCafés über das Hobby auszutauschen.» Für Kinder sei die traditionelleHandarbeit besonders lehrreich: «Da es beide Gehirnhälftenbeansprucht, ist es für die Ausbildung der manuellen Fähigkeiten sehrsinnvoll. Es verbessert die motorischen Fähigkeiten und hilft,Kreativität zu entdecken und zu fördern.»

Die Strickdesignerin Rosemarie Kaufmann aus Jülich bietet ihreArbeiten ebenfalls auf einer eigenen Website an. «Stricken, das istIndividualität, denn die ist mit dem ewigen Einerlei derMarken-Diktatur doch gar nicht zu erreichen», sagt sie. Kaufmann gibtauch Strickkurse. In ihren Workshops können Interessiertebeispielsweise lernen, mit bis zu 40 Farben nach den Seerosenbildernvon Claude Monet zu arbeiten. Durch ihr berufliches Engagement kommtKaufmann oft nur selten dazu, selber zu den Stricknadeln zu greifen.«Doch wenn ich im Urlaub endlich wieder stricke, genieße ich es invollen Zügen. Dann will ich gar nicht mehr aufhören, Farbe an Farbesetzen und schauen, was dabei heraus kommt.»