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Johnny Depp und Amber Heard Was sind toxische Beziehungen? Anzeichen und Hilfe für Betroffene

Toxische Beziehungen schwanken permanent zwischen Glück und Katastrophe und können jeden treffen. Doch welche Anzeichen gibt es und kann so eine Beziehung gerettet werden?

Aktualisiert: 03.05.2022, 11:17
Die ehemalige Beziehung zwischen Amber Heard und Johnny Depp ist ein Beispiel für eine toxische Beziehung. Bei Heard diagnostizierte eine Psychologin eine Borderline Persönlichkeitsstörung.
Die ehemalige Beziehung zwischen Amber Heard und Johnny Depp ist ein Beispiel für eine toxische Beziehung. Bei Heard diagnostizierte eine Psychologin eine Borderline Persönlichkeitsstörung. Archivfoto: picture alliance / Jonathan Brady/PA Wire/dpa

München/Hamburg/dpa/DUR - Es ist ein Gefühl, als wenn das Duschwasser plötzlich von heiß auf kalt wechselt. In dem einen Moment sitzt man einem liebevollen und empathischen Menschen gegenüber, von dem man glaubt, er sei der oder die Richtige. Im nächsten Moment aber muss man sich von ihm oder ihr hämische und verletzende Kommentare anhören. Man fühlt sich erniedrigt und verletzt.

Ein Beispiel für eine solche Beziehung sind aktuell Johnny Depp und Amber Heard, die sich derzeit vor Gericht streiten.

Was ist eine toxische Beziehung?

Partnerschaften, in denen solche Temperatursprünge immer wieder und ohne Vorwarnung stattfinden, nennt man toxische Beziehungen. "Diejenigen, die sich in einer toxischen Beziehung befinden, idealisieren den Partner und verteidigen ihn dem Umfeld gegenüber", sagt Gabriele Leipold, Ehe-, Paar- und Sexualtherapeutin in München.

"Toxische Beziehungen sind im Kern dysfunktionale Beziehungen", sagt der Paartherapeut Andreas Kirsche aus Hamburg. Sie würden in der Regel nach einem Muster funktionieren - oder eben auch nicht funktionieren: Die Bedürfnisse des einen Partners stehen im Vordergrund und werden dominant eingefordert. Der andere Partner hat die Aufgabe, diese Bedürfnisse zu erfüllen.

"In diesem Sinne ist die Beziehung geprägt von Dominanz, Kontrolle, Abwertung und Egoismus", sagt Kirsche. Daraus ergebe sich die Maxime: Du bist dafür da, dass es mir gut geht. Deshalb erwarte ich, dass du so bist, wie ich dich brauche.

Wer ist anfällig für eine toxische Beziehung?

"Man kann grob sagen, dass diese Menschen häufig in der Kindheit einen starken emotionalen Mangel erlitten haben", erklärt Kirsche. Leipold fügt hinzu, dass es sich oft um Menschen mit geringem Selbstwertgefühl handelt, die den schwachen Part in einer solchen Beziehung einnehmen. Das könnten zum Beispiel frisch Getrennte oder Langzeitarbeitslose sein.

Es trifft aber auch Personen, die in einer anderen Krise stecken, sich depressiv fühlen oder Angst vor dem Alleinsein haben. Kommt dann jemand, der vor allem anfangs in der Werbungsphase charismatisch und einfühlsam auftritt, seien die Türen geöffnet. "Das hält er oder sie allerdings nicht lange durch", sagt Leipold.

Anzeichen für eine toxische Beziehung

Steckt man selbst in einer solchen Beziehung, merkt man das oft nicht sofort. Um die Zeichen zu erkennen, muss man genau hinschauen:

  • Betroffene verwechseln Leid mit Liebe
  • fühlen sich durch die Beziehung eher geschwächt als gestärkt
  • ordnen sich immer unter
  • verzweifeln an eigener Wahrnehmung
  • ständiger Wechsel zwischen Paradies und Katastrophe
  • Liebesgefühle und drohende Trennung liegen manchmal nur Stunden auseinander
  • Gefühl von Alternativlosigkeit

Wie sich Betroffene einer toxischen Beziehung helfen können

"Es ist kaum möglich, toxische Beziehungen auf Dauer erträglich zu gestalten", sagt Leipold. Selbst wenn sich der narzisstisch veranlagte Partner professionelle Hilfe suche, sei es so gut wie unmöglich, die Persönlichkeitsstörung zu heilen.

Fast noch unmöglicher ist es, den Partner überhaupt zu einer Therapie zu bewegen. Oft kommt es vor, dass der eine Partner die Schuld für Konflikte immer dem anderen zuschiebt. "Zum Gelingen oder Scheitern einer Beziehung gehören jedoch immer zwei", sagt Lahme. Beide müssten an der Beziehung arbeiten, wenn sie fortbestehen soll.

Der schwächere Part in der Beziehung sollte dabei auf folgende Verhaltensweisen achten:

  • klare Grenzen setzen
  • nicht in die Defensive geraten
  • Fähigkeit entwickeln, sich selbst zu beruhigen
  • lernen, für diesen Trost nicht auf den anderen angewiesen zu sein
  • Gefühl für Selbstbestimmung entwickeln

Wenn Betroffene dies schaffen und sich nicht mehr nur als Opfer sehen, sei ein großer Teil der eigenen Heilung vollzogen, meint Leipold. Am Ende dieses Prozesses steht dann meist die Trennung.

Hilfsangebote und Prävention bei toxischen Beziehungen

Betroffene Personen können sich an verschiedenen Stellen Hilfe suchen. So kann mitunter eine Therapie helfen oder auch die Telefonseelsorge, die rund um die Uhr gebührenfrei unter 0800-111 011 1 erreichbar ist.

Auch das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben kann eine erste Anlaufstelle für Betroffene sein, die unter 08000 116 016 erreichbar ist. Ebenso wie das Hilfetelefon "Gewalt gegen Männer" - erreichbar montags bis donnerstags von 8 bis 20 Uhr und freitags von 8 bis 15 Uhr unter der 0800 123 99 00.

Und wie stellt man sicher, nicht noch einmal in eine solche Beziehung zu geraten? "Gute Freunde können gebeten werden, zu möglichen zukünftigen Partnern ihre ehrliche Meinung abzugeben", rät Leipold. Sie rät außerdem dazu, eine neue Liebe nicht zu überstürzen: "Sie sollte so lange zurückgestellt werden, bis eine klare Sicht auf die vergangene Beziehung und die eigene Beteiligung daran möglich ist."