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Pilzsaison Pilzsaison: Sind Pilze heute noch verstrahlt?

Von Maria Müller 15.10.2013, 17:30
Pilzepflücken ist besonders im Herbst beliebt - doch Exemplare wie diese Steinpilze können auch über 25 Jahre nach Tschernobyl noch hoch verstrahlt sein.
Pilzepflücken ist besonders im Herbst beliebt - doch Exemplare wie diese Steinpilze können auch über 25 Jahre nach Tschernobyl noch hoch verstrahlt sein. dpa Lizenz

Halle (Saale)/DMN/MZ. - Pilze sind auch in diesem Herbst wieder ein Renner. Viele Pilz-Liebhaber treibt es zum Sammeln in den Wald. Kein Wunder - Pilze sind nicht nur lecker, sondern auch wertvoll: Die Polizei schnappte sogar schon eine 'Pilz-Mafia'-Bande mit 40 kg Beute im Münstereifeler Wald. Die Nachfrage scheint also groß zu sein. Dennoch warnen Organisationen wie Stiftung Warentest und die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) weiterhin vor einer Strahlenbelastung.

Besonders in Süddeutschland ist die Gefahr, an kontaminierte Pilze zu geraten groß: „Hier gab es kurze Zeit nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl im Jahr 1986 Regengüsse. So konnte die radioaktive Strahlung in vielen Teilen Bayerns in den Boden gelangen“, erklärt Karin Wurzbacher, Radioaktivitäts-Expertin des Umweltinstituts München. Besonders betroffen von dem „Wash-Out“, dem radioaktiven Regen, waren süddeutsche Wälder.

Jedes der damals betroffenen Gebiete ist heute noch verstrahlt. Das liegt an der Beschaffenheit des radioaktiven Isotops Cäsium-137: es hat eine Halbwertszeit von 30 Jahren.

Werte oft zu hoch

Erlaubt ist in Deutschland und der Europäischen Union eine Strahlenbelastung von 600 Becquerel (Maßeinheit für Radioaktivität) pro Kilogramm. Doch auch heute noch weisen Pilze aus den betroffenen Regionen eine bis zu sechsfach höhere Strahlenbelastung auf. Auf den Markt dürfen diese verstrahlten Pilze natürlich nicht.

Im Jahr 2010 wurden in getrockneten Steinpilzen aus Kaufbeuren in Bayern sogar bis zu 11.670 Becquerel pro Kilogramm nachgewiesen, berichtet Stiftung Warentest. Auch wenn diese Zahl durch den Faktor zehn geteilt werden muss, weil Pilze den größten Teil ihres Gewichtes verlieren wenn sie getrocknet werden, bedeutet das immer noch einen Wert von über 1000 Bequerel pro Kilogramm vor der Trocknung.

Übrigens sind in den betroffenen Regionen nicht nur Pilze weiterhin verstrahlt, auch Wildbret ist betroffen: Im Jahr 2012 erreichten Werte eines bundesweiten Messprogramms (IMIS) bis zu 9800 Becquerel je Kilo. „Wildschweine sind besonders belastet“, sagt Karin Wurzbacher.

Manche Pilzarten mehr kontaminiert

Auch sind einige Pilzarten mehr belastet als andere. Ausgesprochene Cäsiumsammler sind laut Umweltinstitut München der Maronenröhrling und der Semmelstoppelpilz, Champignon und Schirmling hingegen nehmen Cäsium nur in geringen Mengen auf. Im Mittelfeld liegen die am häufigsten gesammelten Speisepilze Pfifferling und Steinpilz.

Noch bis Ende Oktober bietet das Umweltinstitut München eine kostenlose Untersuchung von Stichproben an. Wer Gewissheit über die Strahlenwerte der eigenen gesammelten Pilze haben möchte, muss lediglich eine Stichprobe von über 250 Gramm einschicken und bekommt dann die Ergebnisse per Telefon mitgeteilt.

Belastete Pilze im Handel?

Pilze, die in Supermärkten angeboten werden, überprüft das Umweltinstitut München ebenfalls auf radioaktive Strahlung. Dabei handelt es sich häufig um Pfifferlinge aus osteuropäischen Ländern wie Litauen, Weißrussland, Russland und Polen. Hierbei fanden sie nur bei drei Prozent der untersuchten Stichproben eine radioaktive Belastung von mehr als 600 Becquerel pro Kilogramm.

Trotzdem raten die Experten des Instituts zu besonderer Vorsicht: „Es gibt Hinweise darauf, dass zum Beispiel Pfifferlinge aus Weißrussland im wenig belasteten Litauen abgepackt werden und dann als Pfifferlinge aus Litauen verkauft werden“, warnt Karin Wurzbacher. Auch soll es vorkommen, dass beim Abpacken hoch und gering belastete Pilze gemischt werden, damit der Höchstwert sicher unterschritten wird.

Selbstgesammelte Pilze werden am besten noch am selben Tag verarbeitet. Geht das nicht, lagern Sie diese luftig, kühl und nicht aneinander gequetscht. Sie können auch blanchiert, eingefroren oder in Scheiben getrocknet werden.

Pilze muss man ausreichend garen, denn einige sind roh schwach giftig und schwer verdaulich. Nach einer Garzeit von 10 bis 15 Minuten ist das aber kein Problem mehr. Verarbeitete Pilze halten sich einen Tag im Kühlschrank, können aber auch eingefroren werden.

Schädlich wie Röntgen der Lunge

Die EU-Grenzwerte sind mit 600 Becquerel pro Kilogramm im Vergleich mit anderen Ländern relativ hoch. Das Umweltinstitut München empfiehlt eine Grenze von 50 Becquerel pro Kilogramm. Doch wie gefährlich ist der Verzehr von radioaktiv belasteten Pilzen? Nicht allzu bedenklich, wenn man nur hin und wieder eine Portion verspeist. So müsste man von Pilzen, die Werte bis zur gesetzlichen Obergrenze aufweisen, schon über 100 Kilo essen damit es gefährlich wird, schätzt zum Beispiel das Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz in Brandenburg.

Das Umweltinstitut München gibt an, dass der Verzehr von 500 Gramm Pilzen mit einer Belastung von 3000 Becquerel in etwa so schädlich wäre wie einmal Röntgen der Lunge.

Einen weiteren Vergleich zieht das Bundesamt für Strahlenschutz: 200 Gramm Pilze mit einem Becquerel-Wert von 3000 zu verspeisen wäre vergleichbar mit der Strahlenbelastung, der man auf einem Flug von Frankfurt nach Gran Canaria ausgesetzt ist.

Auf Zuchtpilze zurückgreifen

Das klingt erst einmal harmloser als vermutet. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt dennoch, dass Verbraucher nicht mehr als ein halbes Pfund Wildpilze pro Woche essen - solche, die den vorgeschriebenen Höchstwert nicht übersteigen versteht sich.

Das Umweltinstitut München rät besonders in Bezug auf Risikogruppen zu äußerster Vorsicht: „Für Schwangere, stillende Mütter, Kinder und geschwächte Menschen gilt: Besser auf Wildpilze verzichten und lieber unbelastete Zuchtpilze essen“, sagt Wurzbacher. Allerdings können nicht alle Pilze gezüchtet werden. Pfifferling und Steinpilz zum Beispiel gibt es nur in der Wildnis. Shiitake- und Austernpilze und Champignons hingegen eignen sich gut für die Zucht.

Wildschweine nehmen bei der Nahrungsaufnahme Cäsium in sich auf. Deswegen ist Wild - besonders in Teilen Süddeutschlands - teilweise auch noch heute hoch belastet.
Wildschweine nehmen bei der Nahrungsaufnahme Cäsium in sich auf. Deswegen ist Wild - besonders in Teilen Süddeutschlands - teilweise auch noch heute hoch belastet.
dpa Lizenz
Selbst bei Pilzen im Supermarkt ist Vorsicht geboten. Champignons sind aber vergleichsweise ungefährlich, da sie wenig Cäsium in sich aufnehmen - und oft gezüchtet und nicht wild gewachsen sind.
Selbst bei Pilzen im Supermarkt ist Vorsicht geboten. Champignons sind aber vergleichsweise ungefährlich, da sie wenig Cäsium in sich aufnehmen - und oft gezüchtet und nicht wild gewachsen sind.
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Schwangere, stillende Mütter, Kinder und geschwächte Menschen sollten besonders aufpassen und lieber direkt auf Wildpilze verzichten.
Schwangere, stillende Mütter, Kinder und geschwächte Menschen sollten besonders aufpassen und lieber direkt auf Wildpilze verzichten.
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