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Medikamente Medikamente: Patienten profitieren von Tests

27.03.2006, 14:34

Halle/MZ. - Täglich werden in Deutschlandneue Medikamente getestet. Sind diese Studiensicher oder sind die Risiken unkalkulierbar?Viele Menschen sind nach dem tragischen Ausgangeines Tests in einer Londoner Klinik besorgt.

Wie diese Studien in Deutschland ablaufen und warum Medikamententests durchgeführt werden, darüber sprach Manuela Bank mit Dr. Dirk Arnold, Oberarzt im Bereich Innere Medizin, Hämatologie und Onkologie, am Universitätsklinikum Halle.

Sie führen auch am Uniklinikum solche Studien durch. Warum?

Arnold: Grundsätzlich muss man sagen, dass die klinische Entwicklung neuer Medikamente nur über solche Studien verlaufen kann, die für die Zulassung notwendig sind. Die Mehrzahl dieser Studien wird in Deutschland an Universitätskliniken durchgeführt, da diese neben der Patientenversorgung auch einen Forschungsauftrag haben. Hier sind wir Partner der forschenden pharmazeutischen Industrie. Die Studien unterliegen jedoch sehr strengen Regeln.

Führen Sie auch Phase-I-Tests, bei dem die Substanz erstmalig am Menschen erprobt wird, durch?

Arnold: Ja. Aber letztlich sind das im Vergleich wenige. Derzeit ist mein Bereich, hier geht es zum Beispiel um Tumorbehandlung, an 50 Studien beteiligt. Aber wir haben in den vergangenen zwei Jahren nur fünf Phase-I-Studien durchgeführt, davon zwei mit neuen Medikamenten, die erstmalig beim Menschen angewandt wurden. Zwischenfälle gab es nicht. Auch meine Kollegen aus anderen Abteilungen führen Studien durch.

Ist das System also sicher, wenn alle Regeln befolgt werden?

Arnold: Im Prinzip ja. Die erste Phase der Testung am Menschen beginnt erst, nachdem der Wirkstoff in langen Versuchsreihen an Zellkulturen und Tieren getestet wurde. Nur wenn dort keine erkennbaren Nebenwirkungen auftreten, geht die Studie in die klinische Phase. Die Phase I dient dazu, die richtige Dosis für den Menschen zu finden, ohne dass schwere Nebenwirkungen auftreten. Nur bei wenigen Menschen wird getestet, meist bei nicht mehr als drei bis sechs pro Dosisstufe.

Wie geht es dann weiter?

Arnold: In der Phase II steht die Dosis fest. Nun werden 40 bis 80 Menschen beteiligt, um die Wirksamkeit des Wirkstoffs zu überprüfen. In der anschließenden Phase III sind es mehrere 100, manchmal mehrere 1 000 Teilnehmer. Dabei werden, im Zufallsverfahren, Gruppen gebildet, von denen einige die etablierte Behandlung und andere den neuen Wirkstoff oder das neue Verfahren bekommen. Daraus ergibt sich ein Vergleich der Wirkung und der Nebenwirkungen. Verläuft alles positiv, dann bekommt das Medikament eine Zulassung durch das Bundesinstitut für Arzneimittelsicherheit oder - wenn es sich zum Beispiel um Impfstoffe handelt - vom Paul-Ehrlich-Institut. Auch danach, in der Phase IV, wird das Medikament fünf Jahre weiter beobachtet. Ärzte und Apotheker sind verpflichtet, Nebenwirkungen zu melden.

Das alles ist gesetzlich im Arzneimittelgesetz geregelt?

Arnold: Ja. Der Ablauf, in den die Bundesinstitutionen eingebunden sind, ist sicher und streng kontrolliert. Bevor man solch eine Studie durchführen kann, muss man diese auch ein halbes Jahr lang intensiv vorbereiten. Wir haben zudem, wie alle Universitäten und Landesärztekammern, eine Ethikkommission, die über eine Durchführung der Studie entscheidet. In der sitzen auch Patientenvertreter und Juristen, nicht nur Ärzte.

Die Ethikkommission kippt solche Studien auch?

Arnold: Das passiert, wenn diese keine Relevanz der Fragestellung feststellen kann oder wenn das mit der Studie verbundene Risiko für den Menschen unklar ist.

Wie sieht das in Zahlen aus?

Arnold: Von zehn beantragten Studien werden im Schnitt drei unbeanstandet zugelassen, eine wird abgelehnt. Bei den verbleibenden muss nachgebessert werden, was auch getan wird.

Wie finden Sie die Teilnehmer für Ihre Studien?

Arnold: In meinem Bereich geht es um Krebspatienten. Das heißt, wir arbeiten auf keinen Fall mit Probanden, die gesund sind. Die neue, experimentelle Behandlung sollte für Patienten auch einen potenziellen Nutzen haben. Oftmals verbindet sich damit die einzige Chance, nachdem alle anderen Behandlungsmöglichkeiten erschöpft sind. Wir sprechen die Patienten an oder wir bekommen Patienten, die diesen Eingangskriterien entsprechen, über andere Kliniken und Ärzte vermittelt.

Die Patienten werden gründlich aufgeklärt?

Arnold: Das Gespräch dauert meist eine ganze Stunde. Dazu gibt es eine schriftliche Patientenaufklärung und eine Einverständniserklärung. Wir sind sehr dankbar, dass Patienten sich zu solch einer Studie bereit erklären. Sie bekommen im Übrigen für die Teilnahme kein Geld.

Hat der Vorfall in der Londoner Klinik Bedeutung für Ihre Arbeit?

Arnold: Viele Leute sind verunsichert, auch unsere Patienten. Obwohl so schlimme Komplikationen wie bei den Probanden in England so gut wie nie vorkommen, ist es auch richtig, selbst bei größtmöglicher Sicherheit darauf hinzuweisen, dass Nebenwirkungen nicht immer auszuschließen sind. Dennoch, in der Abwägung profitieren die meisten Patienten von der Teilnahme an einer Studie, auch weil diese sehr gut überwacht werden.