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Krebskranke Dana lernt per Webcam in der Klasse

Von Birgit Reichert 20.06.2007, 09:39

Trier/dpa. - Dana sitzt konzentriert vor ihrem Laptop am Wohnzimmertisch. Über ihr Kopftuch hat sie Hörer und Mikrofon gezogen, denn der Englischunterricht hat gerade begonnen.

«Good Morning Misses Lindbloom», sagt die Elfjährige gleichzeitig mit ihren 30 Mitschülern der Klasse 5b im Gymnasium Saarburg. Dana hat Krebs und war seit Dezember nicht mehr in der Schule. Um den Anschluss nicht zu verlieren und auch um ihre Freunde zu sehen, wählt sie sich seit drei Monaten regelmäßig in den Unterricht ein und macht per Webcam in Englisch, Deutsch und Mathe mit. Mal während der Chemotherapie, mal nach der Bestrahlung im Krankenhaus, mal von zu Hause. «Die sind schon ein bisschen weiter als ich, aber das hole ich schon wieder auf», sagt Dana und meldet sich eifrig.

Dana ist nach Angaben der Heidelberger Projektkoordinatorin von «onkokids.de», Renate Sedlak, das erste schwerkranke Kind in Deutschland, das trotz Krankheit seinen festen Platz im Klassenzimmer behält. Auf einem Bildschirm ist das Mädchen mit Vollbild zu sehen und «es sieht so aus, als ob sie wirklich da sitzt», sagt die Klassen- und Englischlehrerin Andrea Lindbloom. In den Pausen bildet sich schnell ein großer Kinder-Pulk um «Dana», um mit ihr zu reden, zu fragen, wie es so geht. «Am Anfang war das was ganz Besonderes, als Dana auf dem Bildschirm auftauchte», sagt ihre beste Freundin Lea Mergener. «Heute ist das ganz normal», fügt die Zehnjährige hinzu.

Und genau das Normale ist es, was das ganze Projekt so wichtig macht. «Dass Dana hier am Unterricht teilnehmen kann, gibt ihr ein Stück Normalität und Alltag wieder», sagt Lindbloom. Auch Danas Mutter Eva Pauly ist von dem Online-Klassenzimmer begeistert. «Es tut Dana sehr gut, dabei zu sein. So ein Tag im Krankenhaus oder zu Hause kann sehr lang sein», sagt sie. Wichtig sei auch, dass Danas Klassenkameraden durch den täglichen Kontakt sehen, wie sie sich mit dem Lymphknotenkrebs verändert hat - und Berührungsängste abbauen. Denn nach vier Chemo-Blöcken und elf Bestrahlungen sei Danas Gesicht runder geworden, die Haare seien ausgefallen, sagt die Mutter. Noch eine Operation steht aus. Dann ist Dana wieder gesund.

Die Idee des Projekts «Onko-Kids-Online» war ursprünglich, dass die Patienten der Kinderkrebsstation im Trierer Klinikum Mutterhaus der Borromäerinnen per Computer Kontakt zu Freunden und Verwandten bekommen sollten, sagt Projektleiter Klaus Mihm. Seit Oktober 2006 können die Kinder bereits von dort eifrig mailen und chatten. Beim Unterricht per Webcam dabei sein zu können, sei dann im März der große Durchbruch gewesen, sagt der Krankengymnast. Auch die Finanzierung der Laptops und Kameras in Höhe von rund 11 000 Euro war kein Problem, weil der Förderverein krebskranker Kinder in Trier dies sofort übernommen habe, sagt Mihm.

Und der zweite Patient, der die Technik nutzen kann, steht bereits fest: Ein achtjähriger Junge aus Körperich (Eifelkreis Bitburg-Prüm), der sich nach den großen Ferien einwählen wird. Im Mutterhaus werden jährlich etwa 20 an Krebs erkrankte Kinder aus einem Einzugsgebiet von der Eifel über Luxemburg bis zum Saarland stationär behandelt. In Deutschland werden jedes Jahr 1700 bis 1800 neue Krebserkrankungen von Kindern und Jugendlichen bis zum Alter von 15 Jahren beim Deutschen Kinderkrebsregister in Mainz gemeldet.

«Früher waren die Kinder mit der Krankheit raus aus der Klassengemeinschaft und kamen als Fremde zurück. Mit den neuen Medien halten sie den Kontakt, auch visuell», sagt Mihm. So wird die Webcam auch fleißig nachmittags genutzt. Dana und Lea wählen sich zwei bis drei Mal die Woche an. Auch Klassenkamerad Martin besucht Dana regelmäßig privat auf dem Bildschirm. Doch alle freuen sich auch sehr darauf, wenn Dana nach der Sommerferien wieder leibhaftig im Klassenzimmer sitzt. Was ihre beste Freundin Lea sich dann am meisten wünscht: «Dass ich Dana dann mal wieder richtig in den Arm nehmen und ganz, ganz lange mit ihr spielen kann.»

Weitere Informationen: www.onkokids.de