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Parkinson - mit 44 Jahren Gehirn-Operation bei Parkinson: Patientin erhält neue Lebensqualität durch Tiefe Hirnstimulation

Von Bärbel Böttcher 13.09.2018, 04:00

Magdeburg/Braunsbedra - Noch heute kommen Petra Valenta die Tränen, wenn sie sich an den Moment vor reichlich vier Jahren erinnert, als ein Arzt ihr seinen Befund mitteilt: Parkinson. Mit 44 Jahren.

Es beginnt mit einem Zucken in den Fingern. Besonders die linke Hand ist betroffen. Petra Valenta nimmt das zunächst nicht ernst. Die Kfz-Mechanikerin aus Braunsbedra (Saalekreis) denkt an Überlastung. Als sich dann aber der ganze linke Arm taub anfühlt, als sie die Schulter nicht mehr bewegen kann, da geht sie doch zum Arzt.

Parkinson: Zustand von Petra Valenta verschlechtert sich zunehmend

Und der stellt nach vielen Untersuchungen die niederschmetternde Diagnose. Parkinson, auch Schüttellähmung genannt, ist eine fortschreitende Erkrankung des zentralen Nervensystems. Das macht ihr Angst.

Im Laufe der Zeit verschlechtert sich der Zustand von Petra Valenta denn auch. Ihre Bewegungen werden immer langsamer, immer mechanischer. „Ich habe mich wie ein Roboter gefühlt“, sagt die heute 48-Jährige. Auch das Zittern der Hände, das anfangs nur im Ruhezustand auftritt, verstärkt sich. „Davon war ich oft richtig kaputt.“

Wegen Parkinson: Petra Valenta muss ihren Beruf aufgeben

Die Frau, die sich ein Leben lang für alles Technische begeistert hat, muss schließlich ihren Beruf aufgeben. Zuletzt ist ihre gesamte linke Körperseite stark betroffen. Sie braucht für die gewöhnlichsten Verrichtungen Hilfe. Kann sich beispielsweise nicht mehr alleine anziehen.

„Ich musste meinen nicht weit entfernt wohnenden Neffen anrufen und ihn bitten zu kommen, um mir die Hose hochzuziehen“, erzählt die damals Alleinlebende. Peinlich sei ihr das gewesen. Verschärft wird das Problem dadurch, dass sie infolge der Muskelversteifung auch nur noch sehr langsam und undeutlich sprechen kann.

Therapie gegen Parkinson: Petra Valenta hört von Tiefer Hirnstimulation

Anfangs wird Petra Valenta mit Tabletten behandelt. Doch die erweisen sich bald als zu schwach. Als sie in einer Wittenberger Klinik, die auf die Behandlung von Parkinson-Patienten spezialisiert ist, neu eingestellt wird, hört sie von einer Therapie, die an der Magdeburger Universitätsklinik angeboten wird: die sogenannte Tiefe Hirnstimulation.

Sie sei eine gute Kandidatin dafür, heißt es. Dass dafür eine Operation im Gehirn notwendig ist, schreckt Petra Valenta angesichts ihres Leidens nicht. Sie will unbedingt, dass das Zittern aufhört. Und so sitzt sie im November 2017 bei Professor Jürgen Voges, Direktor der Klinik für Stereotaktische Neurochirurgie am Universitätsklinikum Magdeburg, in der Sprechstunde.

Tiefe Hirnstimulation: Wie die Therapie gegen Parkinson funktioniert

„Stereotaktische Operationen sind minimalinvasive Eingriffe im Gehirn von Patienten“, erklärt Jürgen Voges. Schlüssellochchirurgie in diesem Bereich? Dafür machen sich die Mediziner den Umstand zunutze, dass sich das Gehirn im Schädel nicht bewegt.

So ist es möglich, es mit bildgebenden Verfahren wie CT und MRT in einem räumlichen Koordinatensystem darzustellen. Mit Hilfe spezieller Computerprogramme kann dann millimetergenau berechnet werden, wo idealerweise der operative Zugang an der Schädeldecke zu liegen hat und auf welchem Weg der Operateur mit seinen dünnen Instrumenten den gewünschten Punkt im Gehirns erreicht, ohne Blutgefäße oder sensible Bereiche zu verletzen.

Tiefe Hirnstimulation: Operation bei Parkinson muss gut vorbereitet werden

„Etwa 50 Prozent der Qualität dieser Behandlung hängt von den Stunden ab, die der Neurochirurg vor dem Rechner sitzt und die OP plant“, betont Jürgen Voges. Bei dem Eingriff selbst ist der Kopf des Patienten dann fest in einem sogenannten stereotaktischen Ring fixiert.

So ist, vereinfacht gesagt, ein exaktes Ansteuern des durch die dreidimensionale Computerbilder berechneten Zieles im Gehirn möglich.

Bei der Tiefen Hirnstimulation werden Elektroden ins Gehirn implantiert

Bei der Tiefen Hirnstimulation, auf die Petra Valenta nun setzt, werden auf diese Weise an exakt festgelegten Stellen im Gehirn Elektroden implantiert. Diese sind über Kabel mit einem Impulsgerät verbunden, das unterhalb des Schlüsselbeines oder im Bauchbereich unter der Haut sitzt.

Die von den Elektroden abgegebenen hochfrequenten Stromimpulse - im Regelfall 130 Hertz - beeinflussen nun die Hirnareale, die an der Entstehung der Erkrankung beteiligt sind.

Tiefe Hirnstimulation: Parkinson-Patientin Petra Valenta unterzieht sich der Operation

Wie schnell das geht, merkt Petra Valenta noch während der Operation, die am 3. Mai dieses Jahres stattfindet. Wie die meisten Patienten hat sie für den Teil, bei dem die Elektroden implantiert werden, lediglich eine Lokalanästhesie erhalten.

So können Chirurgen und Patienten während des Eingriffs die Wirkung der Stimulation prüfen und auf eventuelle Nebenwirkungen reagieren. „Ein bisschen komisch war es schon, zu spüren, dass da im Kopf hantiert wird“, sagt die Patientin. „Aber als die Elektroden saßen, hatte ich sofort meine linke Seite wieder, die vorher total gefühllos war.“ Hilfe beim Anziehen der Hose braucht sie ab sofort nicht mehr.

Durch Tiefe Hirnstimulation: Parkinson-Symptome werden um zehn Jahre zurückgesetzt

Dass sie nicht geheilt ist, verdrängt Petra Valenta. „Wir setzen mit der Tiefen Hirnstimulation die motorischen Symptome des Parkinson-Patienten um etwa zehn Jahre zurück“, sagt Jürgen Voges. Aber das verbessere deren Lebensqualität erheblich.

Und obwohl die Magdeburger deutschlandweit zu den Medizinern gehören, die dieses Verfahren am häufigsten anwenden, würden sie gern noch mehr Patienten helfen. Auch bei anderen Krankheitsbildern.

Tiefe Hirnstimulation: Nur wenige Parkinson-Patienten wagen die Operation

Aber der Neurochirurg stellt fest: „Es wächst zwar potenziell die Zahl derer, die für so eine Operation in Frage kommen, aber die Zahl der Eingriffe ist in den vergangenen Jahren stabil geblieben.“ Zum einen liege das daran, dass es den Patienten an entsprechenden Informationen fehle.

Zum anderen scheuten sich leider viele vor der OP. „Das Gehirn ist in unserer Gesellschaft ein privilegiertes Organ“, sagt Jürgen Voges. „Die Vorstellung, dass da eine Operation stattfindet, ist nicht für jeden nachvollziehbar.“

Wegen Tiefer Hirnstimulation: Parkinson-Patientin Petra Valenta steht unter Strom

Auch Petra Valenta hatte „ein bisschen Angst“. Aber zu Professor Voges fasst sie sofort Vertrauen. Sie ist beeindruckt, wie geduldig er ihre Fragen beantwortet, die sie auf anderthalb Seiten notiert hat. Sie weiß aber auch was die Alternative zu dieser OP ist: „Ich wäre eine Pflegefall geworden.“

Darüber möchte sie gar nicht nachdenken. Viel lieber schmiedet sie berufliche Pläne. Etwas im sozialen Bereich soll es sein. „Für die Rente fühle ich mich einfach noch zu jung“, sagt sie.

Die Vorbehalte anderer Patienten kann Petra Valenta nicht verstehen. Die Operation hat ihr die Selbstständigkeit zurückgebracht. Träumt sogar schon vom Motorradfahren. „Ich stehe unter Strom“, sagt sie augenzwinkernd. Im wörtlichen wie im übertragenen Sinn. (mz)