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Sarah Wiener Fernsehköchin Sarah Wiener: "Viele Fleisch-Ersatzprodukte sind stark verarbeitet und ungesund"

Von Stefan Sauer 06.05.2016, 09:00
Sarah Wiener verkauft unter eigenem Namen ökologisch angebaute Lebensmittel.
Sarah Wiener verkauft unter eigenem Namen ökologisch angebaute Lebensmittel. dpa

Berlin - Bekannt geworden ist Sarah Wiener durch die Teilnahme an Fernsehkochshows, Ernährungs-Dokus und ihr Engagement für gesunde Lebensmittel und artgerechte Tierhaltung. Die in Halle/Westfalen geborene, in Wien aufgewachsene Unternehmerin hat zahlreiche Kochbücher verfasst, betreibt mehrere Restaurant, eine Bäckerei sowie einen Catering-Service und verkauft unter eigenem Namen ökologisch angebaute Lebensmittel.

Frau Wiener, vegetarische und vegane Ernährungsweisen finden seit einiger Zeit immer mehr Anhänger. Welche Motive spielen dabei die zentrale Rolle?
Sarah Wiener: Es gab schon immer Menschen, die sich aus unterschiedlichsten Gründen vegetarisch ernährt haben. Sei es aus religiösen, geschmacklichen, ethischen Gründen oder schlicht aus einem Mangel heraus. Die heutige Nahrungszersplitterung in diverse Essgewohnheiten, Einschränkungen und Diäten ist die logische Folge einer dekadenten Gesellschaft, die zum einen nicht mehr wirklich mit ihren Lebensmitteln und dem Wissen darüber verbunden ist und andererseits mit Nahrung geradezu überschwemmt wird, mit deren Herstellung wir aber nicht mehr einverstanden sind. Wir haben das Vertrauen in unsere Nahrungsproduktion verloren und vermissen Transparenz. Wir lehnen das konventionelle Landwirtschaftssystem ab, wollen aber trotzdem nicht 20 Cent mehr für bessere Lebensmittel ausgeben.

Ist Nahrung nicht auch ein Lifestyle-Produkt?
Wiener: Die Art des persönlichen Essverhaltens ist zu einem Statement geworden und soll anderen zeigen, wo man sich selbst verortet. Ich sehe diese Entwicklung mit großem Unbehagen. Essen wird zum Statussymbol und zum Mittel, sich gegen andere abzugrenzen. Am Ende leben wir aber alle vom Lebendigen. Diese Wertschätzung dem Leben gegenüber geht oft in einer Flut von schwerstverarbeiteten Ersatzprodukten verloren. Dabei ist es doch so einfach: selber frisch und abwechslungsreich mit natürlichen Lebensmitteln kochen. Wenn Fleisch, dann wenig Fleisch – und das aus wesensgemäßer Tierhaltung und am besten aus der Region.

Das Problem der industriellen Nahrungsproduktion

Ist „Veggie“ also gar nicht unbedingt gesünder als Fleisch?
Wiener: Das Problem liegt im hohen Verarbeitungsgrad unserer Nahrung. Der Konsum von Fertigprodukten hat sich in den vergangenen Jahren verdreifacht. Viele Fleisch-Ersatzprodukte sind genau das: Ersatz für das Original. Und oft so stark verarbeitet, dass sie alles andere als gesund sind. Aber auch Fleischprodukte sind natürlich nicht per se gesund, wenn wir uns das ganze Fleisch aus Massentierhaltung vor Augen führen.

Demnach sind die Herstellungsmethoden das Problem.
Wiener: Unsere stark verarbeitete industrielle Nahrungsproduktion ist ein Irrweg. Sie zerstört und beutet nicht nur unsere Lebensgrundlage, sondern auch die unserer Mitgeschöpfe aus. Chronisch entzündlich Krankheiten nehmen genauso zu wie Unfruchtbarkeit, Allergien und Fettsucht. Ist das wirklich ein Modell für die Zukunft ?

Enthalten industriell hergestellte vegetarische Produkte weniger Zusätze wie Aroma-, Farb- und Konservierungsstoffe, Emulgatoren und Verdickungsmittel?
Wiener: Nicht grundsätzlich. Ein stark verarbeitetes Industrieprodukt ist immer abzulehnen, ganz gleich wie es gelabelt ist. Unser Stoffwechsel hat sich an die vielen künstlichen und chemischen Zusatzstoffe in den letzten Jahren nicht gewöhnen können. Die gesamte Menschheitsgeschichte haben wir uns höchst erfolgreich evolutionär kulinarisch an unsere Umgebung angepasst. Doch nie zuvor gab es eine so umwälzende Veränderung im Essverhalten wie in den letzten 50 Jahren. Das hat dramatische Folgen für die Gesundheit, für den Lebensstil, aber auch auf die gesamte Natur. Mag sein, dass wir eines Tages Pestizide, Transfette, Aromastoffe, Emulgatoren und Konservierungsstoffe bestens verdauen können. Klar ist aber auch: dann werden wir eine andere Art von Mensch sein.