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Endometriose Endometriose: Normale Regelschmerzen oder chronische Erkrankung?

19.07.2012, 12:16
Etwa jede zehnte Frau im gebärfähigen Alter ist Schätzungen zufolge von Endometriose betroffen. Sie reichen von Schmerzen im Unterbauch über Migräne bis zu Beschwerden beim Stuhllassen. (FOTO: DPA)
Etwa jede zehnte Frau im gebärfähigen Alter ist Schätzungen zufolge von Endometriose betroffen. Sie reichen von Schmerzen im Unterbauch über Migräne bis zu Beschwerden beim Stuhllassen. (FOTO: DPA) Diagentur

HALLE (SAALE)/MZ/DPA/DMN. - Mit Schmerzen im Unterbauch fing es an. ZiehendeKrämpfe, die Rosi Batzler jeden Monat während ihrerPeriode für einige Tage auf die Couch zwangen. Heute hat die56-Jährige ständig Schmerzen. Seit 26 Jahren leidetsie unter Endometriose – einer chronischen Erkrankung,verursacht durch Zellen der Gebärmutterschleimhaut, die sichaußerhalb der Gebärmutter ansiedeln. Wie sie dorthinkommen, darüber gibt es nur Vermutungen. Hormongaben wie dieAnti-Baby-Pille können die meist zyklisch auftretendenBeschwerden lindern. Das schmerzende Gewebe kann operativ entferntwerden. Doch bei manchen Frauen werden die Regelschmerzentrotzdem schlimmer. Sie müssen damit leben.

Jede zehnte Frau ist betroffen

Etwa jede zehnte Frau im gebärfähigen Alterist von Endometriose betroffen, schätzt die StiftungEndometriose-Forschung. Die Dunkelziffer ist hoch, denn die Symptomeeiner Endometriose sind nicht eindeutig. Sie reichen von diffusen,periodenabhängigen Schmerzen im Unterbauch bis zuÜbelkeit, Migräne, Schmerzen beim Geschlechtsverkehrund Beschwerden beim Stuhlgang. Das macht eine Diagnose schwierig.Für die Betroffenen beginnt dann oft einÄrztemarathon zu Gynäkologen, Internisten undNeurologen.

Sieben Jahre bis zur Diagnose

Bei sieben verschiedenen Ärzten war zum Beispiel die38-jährige Karin Menzel, bis die Endometriose diagnostiziertwurde. Bis dahin litt sie jeden Monat unter Schmerzen in den Beinen,fühlte sich „ihrem Unterleibausgeliefert“. „Durchschnittlich vergehen bis zurDiagnose knapp sieben Jahre“, sagt Stefan Renner, LeitenderOberarzt der Frauenklinikam Universitätsklinikum Erlangen und Leiter desdortigen Endometriose-Zentrums. Oft denken Frauenärzte garnicht an diese Erkrankung. Denn Regelschmerzen gelten als normal.

Bei Ursachensuche hartnäckig bleiben

„Wenn die Betroffene ihr Leben durch die Schmerzennicht mehr im Griff hat, spätestens dann ist es Zeit, zum Arztzu gehen“, rät Prof. Uwe Ulrich, Chefarzt der Klinikfür Gynäkologie und Geburtshilfe desMartin-Luther-Krankenhauses Berlin. Sieben Jahre bis zurDiagnose sollte keine Frau warten, betont auch Christian Albring,Präsident des Berufsverbands der Frauenärzte.Stattdessen sollte die Patientin bei der Suche nach einer Diagnosehartnäckig bleiben, wenn sie Regelschmerzen hat, die sie nichthinnehmen will.

Die fünf wichtigsten Fragenzu Endometriose:

Was verursacht Endometriose?

Wie es zu der Erkrankung kommt, hat die Forschung noch nichtausreichend klären können. Bekannt ist jedoch, dassdie Schmerzen durch Zellen, die der Gebärmutterschleimhautähneln, verursacht werden. Diese Zellen verbreiten sich imKörper – meistens im Unterleib – undverhalten sich dort ähnlich wie die Schleimhaut derGebärmutter. Beeinflusst durch die Hormone, die dieGebärmutterschleimhaut zum Anschwellen und Abbluten bringen,wachsen und bluten auch diese Zellen jeden Monat. Doch denKörper verlassen können sie nicht. Stattdessenverursachen diese sogenannten Endometrioseherde Entzündungen,Schmerzen, Verklebungen, Vernarbungen und im schlimmsten Fall auchZysten, Tumore und Unfruchtbarkeit. Rund die Hälfte derFrauen, die nicht schwanger werden können, leide an einerEndometriose, schätzt Renner.

Wie wird Endometriose diagnostiziert?

Normalerweise ist es nur über eine Bauchspiegelungmöglich, die Krankheitsherde zu finden. Für eineendgültige Diagnose müsse zusätzlich eineGewebeprobe entnommen werden, sagt Ulrich. Belegt diese den Verdachteiner Endometriose, beginnt die Behandlung nach der Leitliniefür die Diagnostik und Therapie der Endometriose, die unterseiner Leitung entstand. Spätestens dann sollte die Betroffeneein Endometriose-Zentrum aufsuchen, rät Ulrich.

Wie wird therapiert?

Der erste Schritt der Behandlung sei eine Hormontherapie, etwamit der Pille. Dadurch werde die Regelblutung unterdrückt undauch das schmerzende Gewebe außerhalb derGebärmutter ruhiggestellt, erklärt Ulrich. Doch nichtjede Frau reagiert darauf. Und spätestens sobald die Hormoneabgesetzt werden, beginnen die Schmerzen erneut. „Diezentrale Therapie der Endometriose ist immer noch eineOperation“, sagt Ulrich. Dabei werden die Endometrioseherdemittels einer Bauchspiegelung entfernt. Danach werden wieder Hormonegegeben.

Ist eine Operation sinnvoll?

Auch diese Behandlung hilft nicht immer. Rosi Batzler hatzwölf Operationen hinter sich. Die Schmerzen sind geblieben.„Oft werden nicht alle Herde gefunden“,weiß Ulrich. „Wenn die Herde in derGebärmutterschleimhaut sitzen, sind sie beispielsweise schwerzu sehen“, ergänzt Albring. Doch wenn mehrereOperationen nicht helfen, sollte nicht weiter geschnitten werden.„Spätestens ab der fünften Operationmüssen sich alle Beteiligten fragen, ob das noch gutist“, sagt Ulrich. Im Fall von Rosi Batzler sei eine guteSchmerztherapie angebrachter als eine weitere Operation.

Hilft eine Umstellung der Ernährung?

Bei Karin Menzel hat eine Operation gereicht. Die38-Jährige ist heute beschwerdefrei. Geholfen hat ihr nach derOperation eine Ernährungsumstellung, sie isst kein Fleischmehr, keinen Industriezucker, ernährt sich vollwertig. Mitalternativen Heilmethoden, wie Ernährungsumstellung,Homöopathie oder Akupunktur, haben viele Frauen guteErfahrungen gemacht. Auch die meisten Ärzte raten zuAlternativen, wenn die Schulmedizin nicht weiter weiß. DieseMethoden haben Rosi Batzlers Schmerzen zeitweise gelindert. Dauerhaftbeim Umgang mit dem Schmerz helfen konnte ihr aber nur der Kontakt zuanderen Betroffenen im Endometriose-NetzwerkBaden-Württemberg, das sie mitgegründethat. „Das hat mir das Gefühl gegeben, dass jemandweiß, wovon ich rede.“