Demenz Demenz: Kranke leben in eigener Welt
Halle/MZ. - Dr. Sabine Reuter, Chefärztin der Geriatrischen Klinik der Diakonie Halle, Dr. Cathrin Seehagen, Oberärztin am Psychiatrsischen Krankenhaus in Halle und Brigitte Solbrig, Alzheimer-Beratungsstelle des DRK-Landesverbandes, gaben Antworten auf die Leserfragen zum Thema Demenz.
Gerd J., Köthen: Mein Großvater ist an Arterienverkalkung, vielleicht war es ja auch Demenz, gestorben. Ist Demenz vielleicht vererbbar?
Antwort: Demenz infolge von Durchblutungsstörungen ist nicht vererbbar. Anders ist das bei einer so genannten frühen Alzheimer-Demenz. Wenn die Demenzerkrankung vor dem 60. Lebensjahr eingetreten ist, besteht bei Angehörigen ein erhöhtes Risiko, ebenfalls daran zu erkranken. Diese Form ist aber selten.
Karin B., Dessau: Mein Vater leidet an Alzheimer. Wie lässt sich die Erkrankung aufhalten? Wie kann die Situation für Angehörige erleichtert werden?
Antwort: Alzheimer ist nicht heilbar. Ziel verfügbarer Medikamente ist es, das Fortschreiten der Erkrankung so lange wie möglich aufzuhalten und dem Betroffenen seine "Alltagsfertigkeiten" zu erhalten. Hilfe können Angehörige über eine Tagesbetreuung für Demenzkranke zu Hause erhalten oder über spezielle Tagesstätten, in denen die Betroffenen betreut werden. Dafür gibt es in der Pflegestufe einen erhöhten Pflegesatz.
Margit W., Burgenlandkreis: Mein 82-jähriger Vater beschwert sich, dass sein Kurzzeitgedächtnis nachlässt. Ich meine, das ist altersbedingt. Meine Schwester ist der Ansicht, das sei der Beginn von Altersdemenz. Welche Möglichkeiten gibt es, eine Demenzerkrankung auszuschließen?
Antwort: Es gibt die Möglichkeit, Tests durchzuführen, bei denen Gedächtnis, Konzentration, Aufmerksamkeit und logisches Denken überprüft werden. Manche Hausärzte führen solche Tests durch. Sie können sich aber auch an einen Nervenarzt wenden. Zudem gibt es eine bildgebende Diagnostik, um eine Demenz festzustellen.
Werner K., Sangerhausen: Ich bin 80 Jahre alt und vergesse täglich Namen, oft auch die Tür zu verschließen. Andererseits kann ich mir Arzttermine gut merken. Meine Ärztin meint, ich sei topfit. Dennoch: Lässt meine Vergesslichkeit auf Demenz schließen?
Antwort: Wenn Sie sich Datum, Monat, Jahr, die Namen Ihrer Angehörigen und auch Arzttermine merken können, brauchen Sie nicht zu befürchten, an Demenz erkrankt zu sein. Im Alter von 80 Jahren ist die von Ihnen geschilderte Vergesslichkeit akzeptabel. Sollten Sie sich dennoch große Sorgen machen, können Sie sich an einen Nervenarzt wenden, um mit Hilfe von Tests abklären zu lassen, ob bei Ihnen Anfänge von Demenz vorliegen.
Hilde G., Halle: Bei meinem Mann, 79 Jahre alt, wurde 2003 eine Hirnatrophie, ein Gehirnabbau, diagnostiziert. Das läuft doch in Richtung Alzheimer. Jetzt kommen erschwerend Mobilitätsprobleme dazu. Gibt es eine spezielle Krankengymnastik für Alzheimer-Patienten?
Antwort: Eine spezielle Krankengymnastik für Alzheimer gibt es nicht. Die von Ihnen beschriebenen Mobilitätsprobleme können im fortgeschrittenen Stadium von Alzheimer auftreten, aber auch im Rahmen von so genannten vaskulären Demenzen oder anderen Erkrankungen, wie etwa Parkinson. Sie sollten ihren Mann einem Nervenarzt vorstellen und mit ihm auch die Möglichkeit einer Physiotherapie besprechen.
Martina L., Merseburg: Ich pflege meine demenzkranke 72-jährige Mutter. Sie hat sich sehr verändert, ist misstrauisch, oft auch feindselig und meint, man wolle ihr Böses. Wie soll ich mich verhalten?
Antwort: Sie sollten auf ihre Mutter eingehen und versuchen, sie zu beruhigen. Ihr zu widersprechen, nützt nichts. Der Demenzkranke lebt in einer eigenen Welt, sieht und hört Dinge, die Sie nicht wahrnehmen, die für ihn aber real sind. Lenken Sie die Aufmerksamkeit Ihrer Mutter auf Dinge, die sie gern tut. Wichtig ist, dass Sie sich von einem Facharzt helfen lassen und Ihre Mutter von ihm eine entsprechende medikamentöse Behandlung erfährt. Der Patient wird dadurch ausgeglichener, sein Verhalten normalisiert sich und das Zusammenleben mit den Angehörigen wird erträglicher.
Renate S., Dessau: Ich habe Angst, Alzheimer zu bekommen. Mein Homöopath empfahl mir daher die Einnahme einer erhöhten Dosis von B 6 und B 12 Vitamin. Das soll etwas Neues in der Alzheimer-Forschung sein.
Antwort: Die Einnahme der Vitamine B6, B12 senken, das haben Studien belegt, im Blut den Gehalt an Homocystein, einem Stoff, der mit der Entwicklung einer Demenz eng zusammen hängen soll. Trotzdem ist der Bezug noch nicht eindeutig wissenschaftlich bewiesen. Den gleichen Effekt bringt aber ohnehin eine ausgewogene, vitaminreiche Ernährung mit sich.
Inge J., Coswig: Mein Mann ist demenzkrank. Würde ihm der Aufenthalt in einer geriatrischen Klinik etwas bringen? Gibt es Tests und Gedächtnisschulungen für Patienten mit Demenz?
Antwort: Eine Klinikeinweisung wäre nur dann in Erwägung zu ziehen, wenn Ihr Mann noch andere, die Gesundheit beeinträchtigende Begleiterscheinungen hätte. Demenzkranke werden heute ambulant betreut. Es ist nicht sinnvoll, sie aus ihrer gewohnten Umgebung herauszunehmen. Um Demenz und deren Fortschreiten festzustellen, gibt es Tests, mit denen Merkfähigkeit, Orientierung und logisches Denkvermögen überprüft werden können. Zuhause ist ein Gedächtnistraining empfehlenswert. Literatur darüber gibt es im Buchhandel. Möglich wäre auch eine ambulante Ergotherapie, für die Ihr Mann eine Überweisung braucht.
Renate K., Mücheln: Meine Mutter, Pflegestufe II und demenzkrank, hält keinen Mittagsschlaf, kann auch nachts nicht schlafen, bekommt dann Hals- und Bauchschmerzen. Zunehmend wird sie orientierungslos. Der Arzt hat ihr Beruhigungstabletten verschrieben. Reichen sie aus?
Antwort: Weglaufen, Unruhe und Schlafstörungen sind Begleitsymptome einer Demenzerkrankung. Die Beruhigungsmittel können bei alten Menschen auch gegenteilig, also aufputschend wirken. Es wäre ratsam, wenn Sie sich mit Ihrer Mutter hinsichtlich einer entsprechenden Behandlung der Demenz-Begleitsymptome an einen Nervenarzt wenden, um auch den Tag-Nacht-Rhythmus besser in den Griff zu bekommen.
Gudrun E., Eisleben: Mein Mann ist demenzkrank und braucht rund um die Uhr Betreuung. Wir haben Pflegestufe II beantragt. Das hat der Medizinische Dienst (MDK) der Pflegeversicherung abgelehnt. Was soll ich tun?
Antwort: Bei Demenzkranken ist es nicht immer ganz einfach, eine Pflegestufe zu bekommen. Legen Sie Widerspruch ein. Dann sollten Sie ein ausführliches Pflegetagebuch anlegen, in dem Sie selbst kleine Handreichungen für Ihren Mann eintragen. Anhand dieser Aufstellung kann sich der MDK ein vollständiges Bild der Pflegebelastung machen.
Fragen und Antworten notierten Manuela Bank und Dorothea Reinert