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Borreliose und FSME Borreliose und FSME: Zecken erobern Großstädte

18.06.2014, 08:51
Zecken können Krankheiten wie Borreliose oder Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) übertragen.
Zecken können Krankheiten wie Borreliose oder Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) übertragen. dpa Lizenz

Berlin/Braunschweig - Zecken breiten sich auch in Städten immer weiter aus. Hintergrund sei die Zunahme geeigneter Lebensräume auch für die Wirtstiere wie Mäuse oder Ratten, auf denen die Parasiten sitzen. Das sagten Franz-Rainer Matuschka, Parasitologe von der Hochschulambulanz der Universität Potsdam und seine Kollegin Dania Richter von der Technischen Universität Braunschweig der dpa.

So ließen sich längst nicht nur in Berlin, Freiburg, Hannover oder Magdeburg Zecken mit den Erregern der Lyme-Borreliose oder der Hirnerkrankung FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis) finden. Sie leben außer in Waldgebieten auch in Parks, Hinterhöfen und Gärten, sowie ehemaligen Rieselfeldern und an Mauerstreifen oder auf Spielplätzen. Ihre Transportmittel sind Mäuse und Ratte aber auch Vögel, Füchse oder Igel.

„Die Zersiedlung hat zugenommen“, erklärte Matuschka. „Unsere Stadtgärten werden anders gepflegt als früher, sind naturnaher, und das birgt bei aller Schönheit erhöhte Risiken.“

Nicht nur Mäuse und Ratten seien Schuld an der Ausbreitung

„Die Meldedaten sind in den ostdeutschen Bundesländern in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrzehnts deutlich gestiegen, eine der Ursachen könnte in einem geänderten Freizeitverhalten liegen“, heißt es dazu auch beim Robert-Koch Institut in Berlin. Dazu gehörten etwa das Joggen oder Nordic Walking.

„Ist die Luftfeuchte hoch und gibt es genug Wirtstiere, so können sich die Zecken auch in den Städten vermehren“, betonten Matuschka und Richter. Ideal für die Tiere seien Waldränder und schattige Wiesen.

„Man hat das Thema lange nicht beachtet“, warnte Matuschka. Nicht nur Mäuse und Ratten seien Schuld an der Ausbreitung. „Eine erhebliche Gefahr kann im häuslichen Bereich von Katzen ausgehen“, warnt Matuschka. „Es gibt in Deutschland mindestens zehn Millionen Hauskatzen, dazu kommen zwei bis drei Millionen streunende Katzen.“

Die Parasiten schätzen Waldränder, feuchtes Unterholz und schattige Wiesen. „In den Städten machen sich die Spinnentiere in Parks, Hinterhöfen und Gärten, sowie auf Spielplätzen, ehemaligen Rieselfeldern und an Mauerstreifen breit“, sagt die auf Zecken spezialisierte Parasitologin Dania Richter von der Technischen Universität Braunschweig. Meist warteten die Spinnentiere in einer Höhe von bis zu einem Meter über dem Boden auf ihre Opfer, an denen sie sich dann in Sekundenbruchteilen festklammern.

„Vor allem Nagetiere wie Mäuse oder Ratten aber auch Vögel wie Amseln oder Rotkehlchen tragen zum Übertragungszyklus bei“, sagt Franz-Rainer Matuschka, Parasitologe von der Hochschulambulanz der Universität Potsdam. „Auf Katzen, Füchsen und Igeln treffen sich die Zecken in der Stadt zur Paarung.“

Durch Zeckenstiche können viele verschiedene Krankheitserreger übertragen werden. Am häufigsten ist die Lyme-Borreliose. Bis zu 200 000 Menschen sollen sich jedes Jahr damit infizieren, die Krankheit kann aber behandelt werden. Als gefährlicher gilt die FSME. „Bundesweit liegt die Zahl der gemeldeten FSME-Fälle meist bei 300 bis 400 pro Jahr“, sagt die Biologin Susanne Glasmacher, Pressesprechern des Robert-Koch Instituts (RKI) in Berlin. Doch manchmal haben die Zecken noch mehr Erreger im Gepäck. „In den vergangenen Jahren gab es einige Fälle in Europa von durch Zecken übertragene Neoehrlichiose. Der Erreger kann zu Schlaganfällen und vermutlich auch Herzinfarkt führen“, sagt Matuschka. Der Keim sei erst vor wenigen Jahren entdeckt worden.

„Wo es zwischen Flensburg und Konstanz geeignete Wirte gibt, sind auch mit Lyme-Borreliose infizierte Zecken unterwegs“, sagt Richter. Im bundesweiten Durchschnitt seien 25 bis 30 Prozent der Zecken mit Erregern der Lyme-Borreliose infiziert, FSME liege dagegen nur im Prozent- oder gar Promillebereich. „In Deutschland besteht ein Risiko für eine FSME-Infektion weiterhin vor allem in Baden-Württemberg und Bayern, in Südhessen und im südöstlichen Thüringen“, heißt es beim RKI.

Die Experten raten, Gebiete mit Unterholz oder hohem Gras zu meiden. Wichtig ist es, Kleidung und Haut nach einem Aufenthalt im Grünen abzusuchen. Spaziergänger können sich die Hosenbeine in die Socken stecken und Abwehrmittel verwenden. Für die Behandlung der FSME gibt es keine Medikamente. Daher raten Ärzte zur Schutzimpfung. Gegen Borreliose gibt es keine vorbeugende Impfung. Nicht-infizierte Zecken sind lästig, aber harmlos.

Hilfreich ist eine spezielle Zeckenzange oder sogenannte Zeckenkarte. Die Parasiten dürfen nicht gequetscht werden, sonst gelangen die Viren und Bakterien in den Körper des Wirts. Anschließend sollte der Stich desinfiziert werden.

„Bei der Beweidung durch Wiederkäuer kann das Risiko, einer infizierten Zecke zu begegnen, um mehr als das Fünfzigfache sinken“, sagt Richter. Nutztiere wie Rinder, Schafe oder Ziegen, aber auch Wild, etwa Rehe und Hirsche, würden die Borrelien nicht aufnehmen. „Infizierte Tiere werden beim Saugen sogar von diesen Erregern befreit“, betont Matuschka.

Auf der nächsten Seite lesen Sie, wie wichtig ein konsequentes Müllmanagement im Kampf gegen Zecken ist.

Die bei Zecken beliebten Vierbeiner hätten besonders engen Kontakt zu den Menschen und schliefen oft sogar bei diesen im Bett. „Besonders gefährlich ist, dass von den Katzen abgeputzte Zecken dann sofort den Menschen mit Borrelien infizieren können, während das normalerweise ein bis zwei Tage dauert. So bleibt anders als nach einem Spaziergang kaum Zeit, die Parasiten rechtzeitig zu entfernen.“

"Grund zur Panik besteht aber nicht"

Wichtig sei ein konsequentes Müllmanagement, fordern Matuschka und Richter: „Wenn der Tisch in Parks für Nagetiere wie Mäuse und Ratten oder auch Vögeln, etwa Amseln, reich gedeckt ist, dann steigt auch das Zeckenrisiko für den Menschen“, erklärte Matuschka.

„Grund zur Panik oder gar Hysterie besteht aber nicht“, betonte seine Kollegin Dania Richter in Braunschweig. „Wir wollen die Leute nicht aus dem Garten fernhalten, das sollte nicht das Ziel sein.“ Man könne sich schließlich vor einem Zeckenbefall schützen, sagte Matuschka. Wichtig seien eine angemessene Kleidung und die zeitnahe Untersuchung des Körpers nach einem Aufenthalt im Freien. (dpa)