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Für laue Abende: Cidre und prickelnde Verwandte

Von Aliki Nassoufis 09.05.2008, 07:17

Leimen/Mainz/dpa. - In Frankreich ist er so etwas wie ein Nationalgetränk, doch auch in Deutschland findet der Cidre inzwischen immer mehr Fans. «Cidre gehört zur Familie der Apfelweine», erklärt der Winzer Marcus Müller aus Leimen bei Heidelberg.

Das prickelnde Getränk sei für laue Sommerabende ideal: «Es hat deutlich weniger Alkohol als Wein, macht daher nicht müde, löscht aber dennoch ähnlich wie eine Apfelschorle gut den Durst und erfrischt.»

Cidre wurde schon von den Kelten getrunken, wie der Weinexperte und Buchautor Fabian Lange berichtet. «Sie hatten keine Weintrauben und griffen deswegen auf andere Früchte zur Alkoholgetränkherstellung zurück.» Noch heute komme der sprudelnde Apfelwein traditionell aus der Normandie und der Bretagne. «Doch auch in anderen Ländern gibt es ähnliche Produkte: den Cider in Wales, den Sidra im spanischen Asturien und den Viez in Hessen.»

Für die Herstellung von Cidre kann laut Lange fast jeder Apfel verwendet werden. «Für 95 Prozent aller Cidres werden alle verfügbaren Äpfeln zusammengemischt und gemeinsam gegart.» Wer jedoch eine bessere Qualität wolle, nehme nur Äpfel einer bestimmten Sorte und verarbeite sie separat.

«Dann gibt es zwei Möglichkeiten der Herstellung: Entweder verarbeitet man die Äpfel sofort oder lässt sie - wie in der Normandie typisch - noch einige Zeit liegen, damit sich die Stärke im Apfel in Fruchtzucker umwandelt und später besser gärungsfähig ist», sagt Lange.

Egal, welchen Weg man gewählt hat, muss man das Obst im nächsten Schritt hexeln und mithilfe einer Presse den Saft aus dem Brei drücken. Abgefüllt in Tanks gärt das Getränk dann und wird zum Apfelwein. «Schließlich wird der noch gärende Wein gefiltert und in Flaschen gefüllt, wo er noch etwas weiter gärt und so mit Kohlensäure versetzt wird.» Unterschiede gibt es dann noch in der Süße des Getränks: «Brut» bezeichnet die herbe Variante, «doux» die süßlichere.

Bis vor einigen Jahrzehnten war Cidre in Deutschland noch relativ unbekannt, griff man doch lieber zum Bier statt zur französischen Alternative. Doch seit einigen Jahren haben auch einheimische Winzer das Getränk entdeckt. «Cidre» ist dabei laut Lange zwar ein geschützter Begriff, der nur für die Produkte aus der Normandie und Bretagne verwendet werden darf, doch die in Deutschland hergestellten sprudelnden Apfelweine folgen ähnlichen Herstellungsprinzipien.

Auch viele Naturkostläden haben mittlerweile Bio-Cidre im Sortiment. Beim konventionellen Apfel-Cidre-Anbau werden Pestizide zwar auch kaum eingesetzt, doch für diejenigen, die sich nicht darauf verlassen wollen, gibt es das Getränk aus kontrolliert biologisch angebauten Äpfeln.

Cidre kann übrigens auch wie Wein gut zum Kochen verwendet werden, wie Experte Lange erzählt. «Das Gericht "Tripes à la mode de Caen" gehört beispielsweise zu den Klassikern», sagt er. «Dazu werden Kalbs- oder Rinderkutteln in Streifen geschnitten und in Cidre gekocht.» Auch Jakobsmuscheln erhielten durch Cidre ein ganz neues Aroma. Für Desserts ist Cidre dagegen weniger gut geeignet.

Getrunken erfrischt Cidre am besten bei zehn bis zwölf Grad Celsius, weil er bei dieser Temperatur sein volles Aroma entwickelt. Dabei muss man allerdings auch vorsichtig sein - immerhin ist Cidre dafür bekannt, dass er die Verdauung anregt und in größeren Mengen manchmal eine durchschlagende Wirkung hat.