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Strafzettel, Fluggastrechte und Co. geblitzt, flightright und Co.: So funktioniert Online-Rechtsberatung

Von Jessica Quick 29.11.2018, 08:10
Wer geblitzt wurde, ist nicht automatisch schuldig. Mehr als ein Drittel der Verfahren wird zugunsten der Betroffenen entschieden.
Wer geblitzt wurde, ist nicht automatisch schuldig. Mehr als ein Drittel der Verfahren wird zugunsten der Betroffenen entschieden. dpa

Ein Autofahrer staunte nicht schlecht über seinen Anhörungsbescheid. Darin wurde ihm eine Geschwindigkeitsüberschreitung vorgeworfen, die gar keine war. Obwohl die zulässige Höchstgeschwindigkeit an der Messstelle 130 Kilometer pro Stunde betrug und er - wie amtlich festgestellt - lediglich mit 128 Kilometern pro Stunde unterwegs war, leiteten die Beamten ein Verfahren ein.

Was ist zu tun? Bei diesem eher geringen Streitwert einen Anwalt einzuschalten, ist wie mit Kanonen auf Spatzen zu schießen. Dennoch sind die im Durchschnitt 100 bis 300 Euro zu viel Geld, um klein beizugeben.

Eine gute Alternative bieten inzwischen digitale Anwaltskanzleien, sogenannte Legal Techs. Die Rechtsberatung im Internet ist in manchen Fällen sogar kostenlos - zumindest aber günstig oder gegen Provision erhältlich. Für jeden, der über keine Rechtsschutzversicherung verfügt, sind Legal Techs eine gute Option.

Onlineportale zur Rechtsberatung gibt es inzwischen viele. Meist haben sich die Anwälte auf bestimmte Themengebiete wie Reise-, Verkehrs- oder Mietrecht spezialisiert. Alle bieten Verbrauchern schnelle Lösungen für juristische Probleme.

Einige Anbieter stellen Kunden vorgefertigte Verträge zur Verfügung - das Spektrum reicht vom Kaufvertrag für ein Auto bis hin zu Gesellschaftsverträgen. Andere machen Entschädigungen für Fluggäste geltend. Auch Vertragskündigungen und -verwaltungen werden von Rechtsportalen vereinfacht.

Verbraucherschützer stehen solchen Legal-Tech-Angeboten durchaus offen gegenüber: „Die Portale machen einem das Leben ein Stück weit einfacher und komfortabler“, sagt etwa Annabel Oelmann. „Sie bieten meist standardisierte Verfahren zu typischen und weniger beratungsintensiven Rechtsfragen an“, erklärt die Verbraucherschützerin. Damit sich Kunden im Dschungel der Angebote zurechtfinden, zeigt die Mitteldeutsche Zeitung eine Auswahl der bekanntesten:

Verkehrsrecht online klären lassen: Bußgeldverfahren und Fahrverbote

Bußgeldbescheide wie im eingangs genannten Fall bereiten viel Ärger, denn wer nicht rechtzeitig reagiert, kann im schlimmsten Fall mit empfindlichen Geldstrafen, Punkten in Flensburg oder mit einem Fahrverbot rechnen.

Bei Geblitzt.de können Betroffene ihren Bußgeldbescheid kostenfrei anwaltlich überprüfen lassen. Inzwischen hat das Unternehmen mehr als 200.000 Verfahren bearbeitet.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Zwölf Prozent aller Fälle werden nach eigenen Angaben komplett eingestellt. Bei weiteren 35 Prozent können eine Strafreduzierung erreicht oder verhängte Fahrverbote aufgehoben werden. Finden die Verkehrsanwälte keine Möglichkeit zur Anfechtung, dann erhält der Kunde den Rat, den Bußgeldbescheid zu bezahlen.

Wie solch ein Service kostenfrei funktioniert, verrät Geschäftsführer Jan Ginhold: „Die Beratung wird durch Erlöse aus Lizenzen einer durch das Unternehmen entwickelten Software finanziert. Hiermit können die Partneranwälte Fälle deutlich effizienter bearbeiten.“

Flugrecht online klären lassen bei Verspätungen und Überbuchung

Der Winterurlaub ist gebucht und nun hat der Flug Verspätung oder ist sogar ausgefallen. Auch wenn sie im Recht sind, für Betroffene ist es nicht immer leicht, Ansprüche auf Entschädigung durchzusetzen. Lange Wartezeiten in den Hotlines sind die Regel, dazu ist vielen Fluggästen die Rechtslage nicht bekannt.

Zudem zeigt die Praxis, dass Fluggesellschaften bei Beschwerden von Laien gern auf stur schalten. Ein Anwalt jedoch ist meist teurer als der Anspruch selbst.

Kostengünstiger und auch zeitsparender ist das Angebot von Flightright.de. Auf der Webseite des Legal-Tech-Unternehmens erfahren Geschädigte durch die Angabe des Flugdatums und der Flugnummer sehr schnell, ob ein Schadenersatzanspruch besteht oder nicht. Ist dem so, versucht Flightright diesen durchzusetzen.

Bei Erfolg behält das Unternehmen 20 bis 30 Prozent der Entschädigung. Ein Beispiel laut Zeitschrift „Guter Rat“ (Ausgabe 07/18): Wird um 600 Euro gestritten, bleiben 185,64 Euro beim Portal hängen. 414,36 Euro bekommt der Kunde.

Mietrecht online klären lassen: Mietminderungen und Fehler bei Nebenkosten

Das Berliner Start-up Mietright hilft Geschädigten beim Rechtsstreit mit dem Vermieter. Auf der Internetseite wenigermiete.de lässt sich prüfen, ob etwa eine Mieterhöhung, eine Mietminderung, der Mietvertrag oder auch die Wohnungskündigung rechtens sind.

Ein Honorar fällt nur im Erfolgsfall an. Dessen Höhe wird an den Ersparnissen bemessen, die der Mieter erzielt hat. Hat Mietright etwa die Durchführung einer Schönheitsreparatur abgewendet, erhält das Unternehmen ein Drittel der geschätzten Kosten, die für die Reparatur hätten aufgewendet werden müssen.

Und auch in Sachen Nebenkosten gibt es online Hilfe. Bei dem Portal mineko.de prüfen Anwälte für eine Pauschale von 39 Euro die Abrechnung. Kunden erhalten einen ausführlichen Bericht sowie ein personalisiertes Widerspruchsschreiben, das sie direkt an den Vermieter weiterleiten können.

Entschädigung online anfordern: Verspätung bei der Bahn

Zugfahren kann manchmal zu einer leidigen Angelegenheit werden. Zumindest wenn man auf den Zug warten muss. Viele Reisende waren schon einmal betroffen, denn Zugverspätungen sind häufig. Ab 60 Minuten können Bahnkunden 25 Prozent des Ticketpreises zurückfordern, ab 120 Minuten sogar 50 Prozent. Bis zu einem Jahr rückwirkend ist das möglich.

Das Düsseldorfer LegalTech-Unternehmen Bahn-Buddy kümmert sich darum. Dabei macht Bahn-Buddy dem Reisenden ein individuelles Angebot für den Abkauf seines Erstattungsanspruchs. Das Besondere: Bestätigt der Kunde das Angebot, erhält er das Geld innerhalb von 24 Stunden zurück.

Perspektivwechsel: Auch für Juristen werden die Möglichkeiten zu Beratung im Netz immer wichtiger: „Wir beobachten das Thema Digitalisierung aufmerksam“, sagt Swen Walentowski, Sprecher des Deutschen Anwaltvereins (DAV). „Die Menschen suchen nach schnellen Lösungen“, sagt der Rechtsanwalt. „Und die bietet die Anwaltschaft noch nicht immer befriedigend.“

Aus Sicht des DAV sind die neuen Angebote auch nicht unbedingt eine Konkurrenz zur klassischen Rechtsberatung. Allerdings stoßen einige der Start-ups mit ihren Geschäftsmodellen auch an Grenzen, so Walentowski. Beispiel Vertragsgestaltung: „Wenn es um den Vertrag für einen Tiefgaragenstellplatz geht, muss ich dafür nicht unbedingt zum Anwalt gehen“, sagt er.

Wer aber etwa einen Gesellschaftervertrag aufsetzen will, kann mit vorgefertigten Verträgen in böse Fallen tappen. Einige Anbieter sprechen sich zudem von jeglicher Haftung frei. „Einen Anwalt können Sie nach einer Falschberatung zur Rechenschaft ziehen.“

Rechtsberatung funktioniert im Internet eher bei niedrigschwelligen Angeboten, findet auch Annabel Oelmann: „Die Online-Portale können keine individuelle Rechtsberatung ersetzen“, so die Verbraucherschützerin. Das sieht auch Swen Walentowski so: Ein Anwalt könne bei komplexen Problemen zum Beispiel Fragen stellen, auf die der Mandant selbst nicht gekommen ist. (mz)