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Beziehungskiste Beziehungskiste: Neue Liebe im Alter

Von MARTIN FABER 24.06.2011, 07:33

HANNOVER/HEIDELBERG/DPA. - Oma und Opa gelten als liebevoll, aber auch als Menschen, die kein Bedürfnis nach einem Sexualleben haben. Stirbt einer von den Großeltern oder haben sie sich getrennt, billigt ihnen die Familie oft keine neue Liebe zu. Dass auch alleinstehende ältere Menschen Sehnsucht nach Geborgenheit und Sexualität haben, verdrängen viele. Doch warum führt eine Partnerschaft dieser jungen Alten häufig zu Problemen im Familien- und Freundeskreis?

"Ältere Menschen nehmen sich heutzutage die Freiheiten, die sich die Jüngeren schon immer genommen haben. Das irritiert ihr Umfeld und stößt auf Unverständnis", sagt der Altersforscher Hans-Werner Wahl von der Universität Heidelberg. Erfahrungen mit einem neuen Partner ließen sich nicht mit dem traditionellen Bild vom Älterwerden vereinbaren.

Hinter einer ablehnenden Haltung der Familie steckt nicht selten eine große Verunsicherung. Denn mit Opas neuer Partnerin könnte sich auch das Verhältnis zu seinen Kindern und Enkeln verändern.

Insgesamt bietet eine neue Liebe der Großeltern aber Chancen für die ganze Familie. Sie kann eine große Entlastung sein, sagt der Soziologe Heribert Engstler vom Deutschen Zentrum für Altersfragen in Berlin. "Eine neue Beziehung steigert die Lebenszufriedenheit und bietet neue Möglichkeiten des Austauschs und der wechselseitigen Unterstützung im Alltag." Die Angehörigen würden von ihren Bedenken ablassen, wenn sie erkennen, dass der neue Partner dem Großelternteil gut tue.

An einem ehrlichen Gespräch zwischen Jung und Alt führt kein Weg vorbei. Beide Seiten sollten sich gegenseitig ihre Bedürfnisse erklären, rät Wahl. Es gehe nicht darum, "die Erlaubnis der Familie einzuholen, sondern sie an der eigenen Freude teilhaben zu lassen."

Der neue Lebensgefährte sollte Loyalitätskonflikte im Umfeld offen ansprechen. Etwa so: "Ich verstehe, dass es schwierig für euch ist, einen neuen Partner an der Seite eures Freundes zu sehen. Dafür habe ich Verständnis", sagt Frauke Tennstedt, Psychotherapeutin in der Praxis für Psychosoziale Beratung in Hannover. Der frisch Vergebene solle deutlich machen, dass die Beziehung zu seiner Familie für ihn genauso wichtig bleibt.

Manchmal sind sowohl die erwachsenen Kinder als auch die Freunde neidisch auf das junge Glück im Alter. "Die Kinder sind es, weil ihre Hoffnung zerstört wird, das verwitwete Elternteil nun ganz für sich alleine zu haben", erklärt Tennstedt. Die Freunde stecken in vielen Fällen in alten Ehen fest, haben sich auseinandergelebt und keine gemeinsamen Gesprächsthemen. Das Paar sollte seine Liebe deshalb nicht allzu demonstrativ zur Schau stellen. "Wichtig ist, dass beide ihre eigene Identität und Autonomie beibehalten, sagt Tennstedt.

Bevor Senioren ihre neue Beziehung öffentlich machen, plagen sie häufig Ängste: Sie wollen nichts falsch machen und fürchten, sich vor der Familie zu blamieren. Rückt das große Zusammentreffen näher, stellt sich die Frage des Wie: "Auf keinen Fall einfach in eine Familienfeier reinplatzen, dann sind alle nur geschockt", rät Tennstedt. "Am besten fragt man die Angehörigen im Vorfeld, wie sie den neuen Partner kennenlernen wollen." Und Engstler ergänzt: "Niemanden überfordern - die Familie, aber auch nicht sich selbst." Schließlich müsse sich auch die eigene Paarbeziehung noch entwickeln. Doch wie geht man vor, wenn sich keine Lösung einstellt? "Dann müssen die Senioren abwägen, was sie gewinnen und was sie verlieren", sagt Tennstedt. "Und wenn die neue Partnerschaft neue Freude und Lebenskraft bedeutet, dann sollte man sie immer wagen."