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Berufswahl Berufswahl: Noch einmal von vorn

Von Thorsten Wiese 15.08.2005, 13:01
Beate Stelzer (links) war fast 20 Jahre lang Krankenschwester, bevor sie sich entschloss, noch einmal umzusatteln. Heute fährt sie zur See. Buchautorin Uta Glaubitz (rechts) hat das nachhaltig beeindruckt. (Foto: dpa)
Beate Stelzer (links) war fast 20 Jahre lang Krankenschwester, bevor sie sich entschloss, noch einmal umzusatteln. Heute fährt sie zur See. Buchautorin Uta Glaubitz (rechts) hat das nachhaltig beeindruckt. (Foto: dpa) Uta Glaubitz

Berlin/Kriftel/dpa. - Annähernd 20 Jahre lang war Beate Stelzer Krankenschwester. Voreinigen Jahren verlor die 41-Jährige aus Berlin dann die Lust anihrem Beruf. «Irgendwann fehlte mir einfach die Herausforderung»,sagt Stelzer heute. Deshalb beschloss sie, endlich ihrenKindheitstraum in die Tat umzusetzen - und zur See zu fahren.

Immer wenn sie vor Jahren ihre Tante an der Ostsee besucht und denSchiffen nachgeschaut hatte, packte sie das Fernweh. «Einmal auf derKommandobrücke von so einem Riesen-Pott zu stehen - das wäre es»,beschreibt Stelzer ihre Gefühle aus der Kindheit. Sie holte mit Mitte30 das Abitur nach und ließ sich an der Fachhochschule zumSchifffahrtsoffizier ausbilden. Heute ist Stelzer bei einer Reedereiin Hamburg angestellt und fährt auf großen Frachtschiffen nach Asienund Südamerika.

Ein solcher Neuanfang fällt nicht jedem leicht. Viele denken vorallem gar nicht so weit, sich mitten im Berufsleben noch einmalvöllig neu zu orientieren. «Wenn man sich nur noch auf das Wochenendefreut, morgens kaum noch aus dem Bett kommt und die Unzufriedenheitimmer größer wird, dann sollte ich aber über einen Wechselnachdenken», sagt Karrierecoach Angelika Gulder aus Kriftel (Hessen).

Gulder zufolge machen sich viele bei der Berufswahl nach derSchule zu wenig Gedanken. «Und viele steigen dann die Treppen ineinem Haus hoch und merken erst im Dachgeschoss, dass sie sich imGebäude geirrt haben.» Ist es soweit gekommen, sei grundsätzlichesUmdenken notwendig.

«Viele meinen, der Beruf muss wehtun. Alles andere sei Freizeitund Hobby», sagt Uta Glaubitz, Berufsberaterin und Ratgeberautorinaus Berlin. Auch Freunde und Bekannte übten Druck aus. «Wer mit 45einen neuen Job sucht, hat aber mitnichten versagt. Er hat haltvorher etwas anderes gemacht», sagt Glaubitz.

Bei der Suche nach neuen Möglichkeiten verweist die BeraterinWechselwillige auf Situationen, in denen sie besonders motiviertwaren. «Jeder Beruf kostet eine Menge Energie. Deshalb muss ich mirüberlegen, bei welchen Tätigkeiten ich von ganz allein Energieentwickle – woran ich zum Beispiel freiwillig schon einmal die halbeNacht gearbeitet habe.»

Mit dem aktuellen Beruf stimme das oft nicht mehr überein. Vielehätten sich nach der Schule nur von ihren Eltern dazu drängen lassen,Bankkaufmann oder Lehrer zu werden. Deshalb könne auch die«Kindheitsvision» über die eigenen Wünsche Aufschluss geben, sagtKarrierecoach Alexandra Bass aus Mannheim – nach dem Motto: «Waswollte ich schon immer werden?».

Ein Alter, von dem an ein Wechsel unmöglich ist, sehen die Beraternicht. «Ich kann mit 35 nicht mehr Model oder Leistungssportlerwerden. Da gibt es körperliche Grenzen. Ansonsten gibt es meinerAnsicht nach aber keine Beschränkungen», erklärt Uta Glaubitz.Dennoch gebe es nur wenige, die es schaffen, ganz von Neuem beginnen- nach Schätzung von Angelika Gulder ist dabei nur jeder Zehnteerfolgreich.

Sinnvoll ist nach Gulders Empfehlung eine Art Projektplan für dieZiele der ersten zwölf Monate. «Wer könnte jemanden kennen, derjemanden in der Branche kennt?», sei eine der ersten Recherchefragen.Zu diesen Leuten müsse man Kontakte aufbauen. «Die meisten geben dochgerne Auskunft über ihren Beruf», sagt Gulder. Und es sei schließlichwichtig, herauszufinden, wie in der Branche gearbeitet wird, wieDienstzeiten, Arbeitsbedingungen und Verdienstmöglichkeiten sind.

Beate Stelzer etwa reduzierte ihre Stelle auf zwei Tage die Wocheund ließ sich nur noch für Nacht- und Wochenenddienste einteilen. Inder Prüfungsphase ließ sie sich beurlauben. Sie informierte sich beimArbeitsamt und nahm über Berufs- und Ehemaligenverbände Kontakt zuSeeleuten auf, um Branche und Arbeitsmarkt zu sondieren. IhreErsparnisse waren nach der Ausbildung aufgebraucht, und die Phase derNeuorientierung hat sie auch psychisch als sehr belastend empfunden.Dennoch hat es geklappt. «Die Miesmacher muss man einfachabschütteln», sagt sie. «Sonst funktioniert es nicht.»

Bei Bewerbungsgesprächen haben Umsattler gar keine so schlechtenKarten: Alexandra Bass zufolge achten Personalchefs aufAuthentizität. Bei dem, der für seine neue Tätigkeit Begeisterungmitbringt, was bei einem solchen Wagnis vorauszusetzen sei, sprechenichts dagegen, dass es mit der Bewerbung klappt. «Arbeitgeber nehmengerne jemanden ohne Erfahrung, wenn er viel Enthusiasmus mitbringt.In umgekehrter Kombination gibt es nämlich ohnehin viel zu viele.»