Weltpremiere Weltpremiere: Spaß ist geil
Halle/MZ. - Wie ein riesiges Aquarium liegt der künftige Terminal E mitten auf dem Züricher Flugplatz. Drinnen schwimmen sie rum, die Schreiber aller Kontinente: die Russen, die Japaner, die Portugiesen, die Brasilianer, die Briten, die Südafrikaner, die Australier und die Deutschen. Alle, die irgendwie ihr Geld mit Über-Autos-Schreiben verdienen. Nicht wenige von ihnen meinen es genau zu wissen: Der Smart wird nie ein richtiges Auto. Zum Beweis des Gegenteils hat Mercedes die Weltpresse hierher einfliegen lassen. Dabei ist der Anlass eher ein schlichter: Nun hat der Smart statt zwei Sitze sogar vier. Folgerichtig heißt er forfour (für vier) und ist der bislang Größte unter den Kleinen.
Die globalen Beobachter seiner Geburt hocken im Züricher Menschen-Aquarium in Zehnerreihen auf einer Tribüne. Das ist tückisch für die ganz oben. Terminal E ist noch im Bau, die Klimaanlage läuft Probe. Erst perlt der Begrüßungssekt, dann der Journalistenschweiß. Denn es dauert, bis die Verantwortungsträger von DaimlerChrysler den über 500 Schreibern alles mitgeteilt haben zum jüngsten Kind ihrer Tochter Smart. Jürgen Hubbert, oberster Chef von Smart, Mercedes und Maybach, preist die Vorzüge des Kleinautos, die Groß-Kooperation mit Mitsubishi und hält gute Worte für Kölleda in Thüringen bereit, woher ein Teil der Smart-Motoren kommt.
Seine Wurzeln indes hat der Smart in der Schweiz. Denn hier, im Swatch-Land, wurde die Smart-Idee geboren, das war 1994. Swatch-Erfinder Nicolas Hayek wusste, wie man eine Uhr zum Kult macht, die Mercedes-Leute wissen, wie man Autos baut. Gemeinsames Ziel: Lasst uns ein Kult-Auto bauen.
Jürgen Hubbert (63) erzählt die Geschichte so, wie er das immer macht zu solchen Anlässen: unaufgeregt, gütig lächelnd, stolz wie ein junger Vater. Seine Silberlocken liegen stramm nach hinten, Schlipsknoten oben, ruhige Stimme, Typ Vertreter von nebenan, der, dem man auch den allerletzten Staubsauger abkaufen würde. Aber die, die ihn kennen, wissen: ein harter Hund, wenn es um die Sache geht. Und die läuft - Konjunktur hin, Konjunktur her - für die Daimler-Truppe prächtig. Die Sache an diesem Abend heißt Smart, Smart forfour, der mit den vier Sitzen. Warum die Welt Smarts braucht, weiß Mister Mercedes genau. Denn seine Werbestrategen haben für die Rede tief in die Kiste gegriffen und lassen ihren Chef eine Art Zeitungsanzeige in die Kameras halten: Spaß ist geil! Die fernöstlichen Kollegen nicken wissend unter ihren Kopfhörern. Die Botschaft wird alsbald um die Welt eilen: Smart ist geil!
Und Geiz? Gut 12 500 Euro, verspricht der Mercedes-Chef, soll der Viersitzer kosten, dann, wenn er im nächsten Jahr zu den Händlern rollt. Viele im Rund runzeln die Stirn: eine sehr kühne Kalkulation, schau'n wir mal. Irgendwann ist alles gesagt vom großen Boss. Dann kommt noch der kleine dran, der Chef der Marke Smart, Andreas Renschler. Der dankt "dem Jürgen" für seine wohlwollende Rede und überschwemmt das Auditorium mit Erfolgsmeldungen aus dem Hause Smart. Dann teilt er dem "lieben Jürgen" mit, dass seine Leute letztes Jahr noch ein paar Smarts mehr verkauft haben, als er gewusst habe: 122 000, Tendenz steigend. Da freut sich der Jürgen und der Andreas freut sich auch - dass er weg kann aus der Hitze des Podiumlichtes. Von links rumpelt etwas heran. Das Geräusch kennt man. Kofferband auf dem Flughafen. Weiß verhüllt rollen Autos vorbei und verschwinden rechts wieder im Off, behutsam ferngelenkt von einer Heerschar junger Menschen, die sich oberhalb der Journalistentribüne hinter Computern und Laptops verschanzt hat und den Event steuert.
Von nebenan weht Wohlgeruch herüber. Es ist angerichtet zur Weltpremierenfeier. Mit Landhuhnbrust und Loup de Mer, mit Knusperente und Kalbsrücken, Schokoknödel und Crème Brûlée. Auf gläsernen Tischen sind Lan- desfahnen platziert. Da die Engländer, dort die Japaner, hier die Deutschen. Ordnung muss sein. Wo käme man hin, wenn sich die Sprachen und Kulturen bei Tische kreuzten? Der Loup de Mer muss noch warten. Erst mal geht es per Mausklick weiter. Klick: Big Boss fünf Meter groß. Klick: Erfolgsstatistiken am laufenden Band, Säulen, Diagramme, aufwärts, aufwärts - der Branche geht es schlecht? Klick, der nächste: Licht aus, Video-Time - ein Smart-Werbespot, Weltpremiere auch das, heißt es. Einfache Geschichte: Junger Mann in Trainingsjacke will in der City den Smart forfour parken, hat kein Kleingeld für die Parkuhr, Politesse nähert sich, junger Mann verzweifelt, hat eine Idee. Legt seine Mütze auf den Fußweg und singt einen Titel von Robbie Williams. Doch niemand wirft auch nur einen Cent rein. Plötzlich spaziert Robbie Williams in die Szene, wirft Kleingeld in die Mütze, junger Mann parkt, Politesse ab.
Scharfer Schnitt. Licht an. Auto und Schauspieler und Szene aus der Werbung live auf der Bühne. Er singt, sie kommt - und alle warten auf Robbie Williams. Robbie Williams bleibt weg. Der Smart bleibt da. Dann mimt der Jürgen den Robbie, legt die Münzen in die Mütze. Schnitt, der forfour wartet. Die Weltpresse drängt sich in den Viersitzer. Haube auf, Motor beäugt, Tür zu, Sitz geklappt, Verkleidung begrapscht. Einer hat den Zollstock dabei: 30 Zentimeter tief der Kofferraum, naja, Sitz vor: 48, gut. Japaner fotografieren das Türschloss. Ein Kollege aus England liegt im dunklen Zweireiher unter der Vorderachse. Zwei korpulente Russen versuchen, die Rückbank zu entern, der Wagen sinkt tief in seine Federn, alles charascho, sagen sie.
Und dann ist er da, der Kollegentyp, der immer irgendwann auftaucht. Er holt eine Münze aus der Tasche und zieht sie durch den Spalt zwischen den Blechteilen. Rutscht die Münze durch, ohne zu klemmen, ist die Verarbeitungsqualität top. Klemmt sie? Nein, sagt der Spaltmaß-Prüfer. Alles top. Spaß ist geil.