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Straßenverkehr Straßenverkehr: Training für ängstliche Fahrer

Von Sabine Maurer 21.03.2005, 09:42

Frankfurt/Main/dpa. - Tränen kullern über die Wangen der jungen Frau, als sie den Wagen über die Autobahn 66 in Richtung Wiesbaden steuert. Ihre Schultern hat sie nach oben gezogen, die Hände umklammern zitternd das Lenkrad.

«Ich pass' auf Dich auf», sagt der Beifahrer immer wieder und streichelt ihr tröstend über den Arm. Der Mann heißt Peter Kotulla, er ist Fahrlehrer. Seit zwei Jahren bietet er gemeinsam mit seiner Partnerin Sylvia Dettloff in ganz Deutschland Seminare für ängstliche Autofahrer an. Etwa 150 Menschen haben sie bislang betreut, eine Statistik über die Erfolgsquote gibt es nicht.

Vier Frauen sitzen am Samstag in ihrem Seminar in Frankfurt, eine von ihnen traute sich das letzte Mal vor zwei Jahren hinter das Steuer. «Seitdem ich in Frankfurt wohne, fahre ich nicht mehr. Alles ist vollgeparkt, keiner blinkt, und die Fahrräder kommen von allen Seiten», erzählt die 55-Jährige. «Mir wird im Wagen oft schwindelig», begründet ihre Nachbarin die Hemmung vor dem Autofahren. Eine weitere Frau nennt einen schweren Verkehrsunfall als Auslöser.

«Für viele Teilnehmer ist es schon eine Erleichterung, wenn sie bei uns frei über ihre Ängste reden können», sagt Sylvia Dettloff. Sie lässt die Frauen ihre Ängste und die Wünsche an das Seminar zu Beginn in einen Fragebogen eintragen. In Einzelgesprächen geht sie dann ausführlich darauf ein, bevor ihr Kollege Kotulla die Frauen einzeln zur Autofahrt abholt.

«Angst vor dem Autofahren ist gesellschaftlich gar kein Thema. Dabei ist sie wahrscheinlich mehr verbreitet, als man denkt», sagt der Fahrlehrer. Laut ADAC gibt es in Deutschland etwa eine Millionen Menschen mit Führerschein, die kein Auto mehr fahren. Wie viele von ihnen sich aus Angst nicht mehr hinters Steuer setzen, ist nicht bekannt.

Besonders fürchten die Frauen das Fahren auf der Autobahn. Deshalb schärft Fahrlehrer Kotulla zunächst ihren Blick für den Verkehr, übt das Beschleunigen, die Voraussetzung für das unkomplizierte Einfädeln. «Autobahn ist eigentlich einfach. Es gibt keine Ampeln, keine Fußgänger und keinen Gegenverkehr», macht er seinen Zuhörerinnen Mut - doch sie blicken skeptisch.

Die junge Frau, die von Kotulla als erste ins Fahrschulauto gebeten wird, ist an Weihnachten das letzte Mal gefahren. «Oh Gott», flüstert sie, als sie den Wagen auf die Autobahn steuert. Der Fahrlehrer gibt ihr konkrete Anweisungen: «Schau nach links. Jetzt blinke, beschleunige auf 80 und lenke ein bisschen.» Nach einigen Minuten verstärkt die Frau vorsichtig den Druck aufs Gaspedal. «Jetzt bin ich ein gefährliches Objekt», sagt sie bei Tempo 100, entspannt sich nach kurzer Zeit jedoch sichtlich.

Plötzlich blinkt ein Lastwagen rechts neben ihr. Die Frau will das Lenkrad nach links reißen, doch Kotulla hält es fest. Kurz darauf am Autobahnkreuz stockt der Frau das nächste Mal der Atem. «Vorne, hinten, rechts, links. Hier sind ja überall Autos», seufzt sie, meistert jedoch mit Hilfe des Beifahrers den Spurwechsel. Am Ende der einstündigen Fahrt ist sie völlig erschöpft.

Mit dem Fahrlehrer an ihrer Seite hat sie sich sicher gefühlt, doch alleine traut sie es sich eine Autofahrt noch nicht zu. Deshalb will sie sich bei einer Fahrschule anmelden und «dann endlich wieder ein uneingeschränktes Leben führen».