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Arbeitsplatz Nähmaschine Arbeitsplatz Nähmaschine: Änderungsschneider wird jetzt zum Lehrberuf

05.09.2005, 09:32
Arbeit an der Nähmaschine - in Deutschland gibt es etwa 16 000 Änderungsschneidereien. Seit kurzem kann in den Betrieben auch eine zweijährige Ausbildung absolviert werden. (Foto: dpa)
Arbeit an der Nähmaschine - in Deutschland gibt es etwa 16 000 Änderungsschneidereien. Seit kurzem kann in den Betrieben auch eine zweijährige Ausbildung absolviert werden. (Foto: dpa) Jens Schierenbeck

Bonn/Berlin/dpa. - «Entsprechend sind die Anforderungen auch nicht so hoch wie bei Maß- oder Modeschneidern», sagt PetraWestpfahl vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) in Bonn.

Das neue Ausbildungsangebot bietet auch solchen JugendlichenChancen, die es bei der Lehrstellensuche schwierig haben, weil sienicht mit glänzenden Zeugnissen punkten können. «Angesprochen werdenJugendliche mit praktischer Begabung», sagt Kirsten Kielbassa-Schneppvom Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) in Berlin. FesteVoraussetzungen etwa hinsichtlich des Schulabschlusses gibt es nicht:«Wer die Ausbildung abschließt, hat damit den Fuß in der Tür.»

Damit ergeben sich Möglichkeiten auch über die Arbeit alsÄnderungsschneider hinaus: «Jugendliche eröffnen sich einenKarrierepfad», ergänzt Petra Westpfahl. «Anschließend kann manbeispielsweise eine weitere Ausbildung zum Modeschneiderdraufsatteln.» Die zwei Lehrjahre werden darauf voll angerechnet.

In Deutschland gibt es etwa 16 000 Änderungsschneidereien. 3300Fachgeschäfte für Herren- und Damenoberbekleidung haben einen eigenenÄnderungservice. «Oft sind Änderungsschneidereien auch an größereKaufhausketten assoziiert», sagt Kirsten Kielbassa-Schnepp. «Daskönnen durchaus Betriebe mit mehreren Angestellten sein.»

Eine Umfrage durch das Bibb ergab entgegen den ursprünglichenErwartungen, dass die Mehrzahl der Betriebe (55 Prozent) in deutscherHand ist und die Hälfte der Befragten eine Ausbildung in Deutschlandabsolviert hat. Mehr als ein Drittel (37 Prozent) ist grundsätzlichbereit, selbst auszubilden. 44 Prozent dieser Betriebe könnten sichvorstellen, Azubis nach der Ausbildung auch zu übernehmen.

«Jeder Änderungsschneiderbetrieb darf grundsätzlich ausbilden»,sagt Petra Westpfahl. Bedarf ist da: «Wir kriegen bisher nurPersonal, das wir noch anlernen müssen», sagt Mustafa Karadeniz vonder Firma Citex, einer der größeren Änderungsschneidereien in Berlin.«Der Beruf ist jahrelang belächelt worden.» Längst sei es Zeit füreine eigene Ausbildung. Citex, von Mustafas Bruder Murat Karadenizgegründet, hat rund zwei Dutzend Mitarbeiter. «Und wir möchten fünfStellen für Auszubildende besetzen.»

Erwartet wird von Änderungsschneidern zwar nicht, dass sie nacheigenen Entwürfen arbeiten - aber vorgefertigte Kleidung müssen sieakkurat ändern können. «Handwerkliches Geschick ist dabei gefragt.Auch ein Gefühl für Schnitte und ein Händchen für Materialien istwichtig», erläutert Petra Westpfahl. «Und man muss beraten können.Schließlich soll der Kunde zufrieden sein.» Zunächst lernen dieAzubis, einfache Kleidungsstücke wie Röcke zu kürzen, später dannetwa auch Blazer mit Schlitz und Knöpfen enger und kürzer zu machen.

Änderungsschneider passen aber nicht nur Jacken, Hosen, Hemden,Blusen oder Westen an: «Wir bearbeiten alles, was unter die Maschinepasst», sagt Mustafa Karadeniz, der als Diplom-Betriebswirt jedochnicht mehr selbst näht. «Auch bei Leder- oder Pelzarbeiten übernehmenwir Änderungen.» Das gilt zum Beispiel für Handtaschen oder Mützen,aber auch für Zelte, Gardinen oder Vorhänge. «Das Gros der Arbeitbetrifft allerdings Textilien», sagt Karadeniz. «Was wir nicht machendürfen, ist Kurzwaren verkaufen.»

Davon abgesehen, kann das Spektrum von Änderungsschneidern aberbreit sein: «Wir arbeiten auch für viele Fünf-Sterne-Hotels», sagtKaradeniz. «Für große Firmen-Events ändern wir schon mal das Outfitfür die Models. Und auch Fahnen für den Bundestag haben wir bereitsrepariert, die palästinensischen zum Beispiel vor dem Besuch vonArafat.»

Wie viel Änderungsschneider-Auszubildende verdienen, ist nochnicht ganz sicher. Die Gründung eines Bundesverbandes, der solcheFragen klärt, steht noch bevor. Das Gehalt wird sich nachEinschätzung der Experten aber an dem der Mode- und Maßschneiderorientieren. Noch sei der neue Beruf wenig bekannt, sagt PetraWestpfahl. Langfristig sei aber von mehreren hundert Azubi-Plätzenpro Jahr auszugehen. Die Chancen auf eine spätere Anstellung hältMustafa Karadeniz für gut: «Viele Betriebe brauchen dringendNachwuchs.»