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Alles wegen des Fachkräftemangels: Betriebe kooperieren mit Schulen

Von Thomas Strünkelnberg 29.08.2007, 12:13

Paderborn/dpa. - Lehrlinge müssen feilen. Das ändert sich in der Industrie vermutlich nie. Was sich ändert, ist der Arbeitsmarkt - in Deutschland fehlen Fachkräfte, vor allem Ingenieure, aber auch Informatiker und Maschinenbauer.

Und das bei mehr als 3,7 Millionen Arbeitslosen. «Wir könnten aus dem Stand 50 bis 100 Ingenieure einstellen», sagt Joachim Ohse, Personalleiter des Autozulieferers Benteler in Paderborn. Gleichzeitig suchten laut Stand vom 31. Juli bundesweit 236 000 junge Menschen eine Lehrstelle - bei 123 000 offenen Stellen. Doch wegen fehlender Fachkräfte denkt manches Unternehmen um. Zusammenarbeit mit Schulen, auch Hauptschulen, soll Betrieben den Nachwuchs sichern.

«Schulpartnerschaften sind die stärkste Waffe, die wir gegen Jugendarbeitslosigkeit haben», sagt Herbert Sommer, Sonderbeauftragter für Berufsausbildung der Industrie- und Handelskammer (IHK) Ostwestfalen zu Bielefeld und ehemaliger IHK-Präsident. Der Mangel an Facharbeitern sei vielen Unternehmern bewusst. «Das ist genau der Punkt, den diese Unternehmen alle schon erkannt haben.»

Daher arbeitet beispielsweise Benteler, ein Unternehmen mit bundesweit rund 650 Auszubildenden, mit Schulen und der Universität Paderborn zusammen. Dem Ingenieursmangel soll ein «Kombinationsstudiengang» abhelfen - ein Studium zum Maschinenbau-, Elektro- oder Wirtschaftsingenieur verbunden mit einer Ausbildung zum Industriemechaniker oder Elektroniker. Der andere Weg heißt Kooperation mit einer Hauptschule. In einer speziellen Klasse können 15 Schüler, die sich eigens dafür entschieden haben, verstärkt Mathe, Naturwissenschaften und Englisch pauken - der Lohn für fünf Schüler ist eine Lehrstelle bei Benteler. Insgesamt fanden sogar zwei Drittel der Schüler einen Ausbildungsplatz, in der Parallelklasse waren es 25 Prozent.

Benteler setzt stark auf die eigene Ausbildung. «Derart gut ausgebildete Leute werden wir auf dem Arbeitsmarkt nicht finden», sagt Ohse selbstbewusst. Außerdem sei dem Unternehmen klar, dass die Zahl der Schulabgänger von Haupt- und Realschulen in den kommenden Jahren um bis zu einem Viertel sinken werde. «Wir müssen daran denken, es kommt der Knick.» Dann werde Benteler jedoch als begehrter Ausbildungsbetrieb gut aufgestellt sein. Dennoch: «Viele wissen nicht über den Standort Bescheid», sagt Sprecherin Gudrun Girnus. Damit sei potenziellen Mitarbeitern aber auch unbekannt, dass Benteler zu den 50 größten Industrieunternehmen in Deutschland zählt.

Die Paderborner Firma Hella Leuchten-Systeme GmbH, ein Automobilzulieferer mit 1000 Beschäftigten und 34 Auszubildenden, kooperiert seit 2006 mit einer Hauptschule. In der Klasse habe die Hälfte der Schüler einen Ausbildungsplatz gefunden, in anderen Klassen seien es gerade einmal zehn Prozent, sagt Hella-Ausbildungsleiter Georg Schulte. Geschäftsführer Hubertus Köhne bezeichnet es als «relativ schwer», Ingenieure aus anderen Region nach Ostwestfalen zu bewegen. Hella müsse sich daher auf heimische Schulen und Universitäten konzentrieren.

Standortnachteile der Provinz beim Buhlen um Fachkräfte befürchtet auch Eckard Heidloff, Vorstandschef des Paderborner Geldautomaten- und Kassensystemhersteller Wincor Nixdorf. «Wenn der Arbeitsmarkt schlecht ist, kommt ein Münchner mal nach Paderborn», sagt er. Wincor Nixdorf hat 159 Auszubildende, wegen des starken Wachstums sieht Ausbildungsleiter Kurt Reichert aber «Spielraum nach oben für weitere Ausbildungsverhältnisse.» Das Unternehmen arbeitet daher mit Real- und Hauptschulen sowie Fachhochschulen und der Universität Paderborn zusammen. Dennoch fehlen vor allem Fachinformatiker. Heidloff fordert von Lehrern mehr Nähe zur Wirtschaft ein. «Manchmal kommt es mir so vor, als ob es verschiedene Welten sind.»

In Ostwestfalen haben Jugendliche gute Chancen: Die Zahl der Ausbildungsplätze stieg laut Sommer in den vergangenen zahn Jahren um fast 40 Prozent. Bis Ende September soll die Zahl der unversorgten Lehrstellenbewerber auf unter 1600 sinken - bei ebenfalls 1600 gemeldeten offenen Stellen. «Es sieht deutlich besser aus», betont Sommer, besser jedenfalls als bundesweit.