Youtube Youtube: Wir sind Lenas Satelliten
Halle (Saale)/MZ. - Olaf Parusel hatte einfach nur ein bisschen Langeweile und kam auf eine komische Idee. "Ich wollte wissen, wie ,Satellite' von Lena in Moll und mit klassischer Besetzung klingen könnte." Parusel, Chef der weltweit erfolgreichen halleschen Artrock-Band Stoa, setzte sich kurzerhand ans Klavier und spielte "Satellite" so ein, wie es noch kein Fan gehört hat: Behutsam tupft das Piano, leise schwingt die Melodie.
Das klingt bei den meisten Mitgliedern einer neuen Volksbewegung, die sich nach dem deutschen Sieg in Oslo formierte, hörbar anders. Da wird gerockt wie bei Flopyy Dee und das Klavier malträtiert wie bei MrDallimann, AyLiinChee singt verblüffend Lena-echt über das Original. Phil und Manu aus Saarlouis hingegen basteln mit viel Aufwand eine professionelle Version mit beeindruckendem Splitscreen-Video, die Band Vocal5 bestreitet das Lied ganz ohne instrumentale Unterstützung.
Es ist ein Massenphänomen, wie es so zumindest im deutschsprachigen Teil des Netzes noch nie zu beobachten war. Versuchten sich bis zum Triumph im Finale nur einige wenige Amateurmusiker am Lena-Ohrwurm, griff die Coveritis danach mit einer Geschwindigkeit um sich, die ohne Beispiel in der Popgeschichte ist. Youtube platzt inzwischen schier aus den Nähten vor lauter Heimwerker-Versionen des knackigen Pop-Songs.
Viele der Hobby-Interpreten erstaunen vor allem mit dem Selbstbewusstsein, sich ohne Talent vor die heimische Webcam zu setzen und zu singen, was sie gar nicht singen können. Andere aber dürften inzwischen schon in den Notizbüchern von Produzenten wie Stefan Raab stehen. Die erst 15-jährige Nicole etwa, die sich im Netz NicolasCage09 nennt, macht Meyer-Landruts Pop-Liedlein daheim im Kinderzimmer, begleitet nur von ihrer Gitarre, zu einem Stück, das Bob Dylan wahrscheinlich gern geschrieben hätte. Mehr als 600 000 Zuschauer fand ihre Interpretation in nur wenigen Tagen, aus der Kommentarspalte quellen Superlative wie "the better Lena".
Da atmet Andreas Schepers erleichtert auf. "Ich hab mich ja immer gefragt, wo die Jugendlichen bleiben, die endlich die kreativen Möglichkeiten, die das Web bietet, nutzen, um die Dinge zu tun, von denen wir als Kinder und Jugendliche nur träumen konnten", freut sich der Musik-Blogger von elbo.ws über Nicola und andere hochtalentierte Nach-Sänger. Deren gibt es endlos viele: Paul Jacobi oder Juan Fernandez haben mit ihren "Satellite"-Interpretationen ebenfalls schon zehntausende Zuschauer begeistert. "Tausend Mal besser als das Original", jubeln bekennende Lena-Fans auch bei Elias Schöberl, einem 17-Jährigen aus Österreich, der eine Unmenge an an Instrumenten spielt und sie in seinem "Satellite"-Video alle benutzt. Nicole, die nur zufällig so heißt wie die ehemalige deutsche Grand-Prix-Sänergin, ist derweil sogar schon auf dem Weg, ihren eigenen Fanclub um sich zu sammeln: "You left me speechless", staunt einer, "hundert Prozent Aussehen, hundert Prozent Stimme, hundert Prozent alles, was ein Star braucht", lobt ein anderer. Mehr als 600 Follower hat die Nachsängerin auf Twitter, mehr als zweitausend Fans auf Myspace. Eine große Karriere, wird es später heißen, die im Netz begann.