Wörlitz Wörlitz: Goldener Löwe aus Mitternacht
Wörlitz/MZ. - Die Legende, die dieses Relief an der Ruine des historischen Wallwachhauses legitimiert, zeigt den Schwedenkönig weniger heroisch: Bei einem Erkundungsritt, so heißt es, habe er sich 1631 vor kaiserlich-kroatischen Kriegern unter einer nahe gelegenen Brücke versteckt.
Zweifel an der Legende
Die begründeten Zweifel am Wahrheitsgehalt dieser Anekdote nähren nun Thesen der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz zur Vorbildwirkung des Schweden auf den Gartenreichgründer Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau. Zum 375. Jahrestag der Schlacht bei Lützen, in der Gustav II. Adolf von Schweden am 6. November 1632 den Tod fand, wurde nicht nur das um 1785 nach einer Vorlage von Friedrich Wilhelm Eugen Doell geschaffene Relief restauriert - sondern auch die Inneneinrichtung des Gotischen Hauses Wörlitz einer Revision unterzogen.
Der Kurator Reinhard Melzer ging dabei von Parallelen zwischen der Biografie des Fürsten und den Bauphasen an dessen Refugium aus. Nach 1780 intensivierte der anhaltische Regent nicht nur seine diplomatischen Bemühungen um einen Fürstenbund, der die Rechte der kleineren deutschen Länder gegenüber der Großmacht Preußen wahrnehmen sollte. Er erweiterte in der Folge auch das Gotische Haus - und stattete den so gewonnenen Speiseraum an zentraler Stelle mit einem Buntglas-Fenster von 1635 aus, das den Schwedenkönig zeigt.
Im Kriegerischen Kabinett richtete er - unter der Decken-Dekoration mit Soldaten-Bildern des Dreißigjährigen Krieges - eine Porträtwand ein, die neben Gustav Adolf und seiner Frau Maria Eleonore auch die kaiserlichen Feldherrn Wallenstein und Tilly zeigte. Die Rückbesinnung auf den protestantischen "Leu aus Mitternacht", der als Statuette sogar im Schlafzimmer des Fürsten präsent war, wurde so zur Selbstermunterung in einer politischen Position, die spätestens seit dem Austritt des Fürsten aus dem preußischen Militärdienst 1757 äußerst fragil war.
Dass der geplante Fürstenbund mit Duodez-Ländern wie Pfalz-Zweibrücken, Braunschweig, Kassel und Sachsen-Gotha zudem ausdrücklich Bezug auf den Westfälischen Frieden nahm, in dem die Folgen des Dreißigjährigen Krieges festgeschrieben worden waren, zeigte sich wenig später in einem symbolträchtigen Präsent. Goethes Dienstherr Carl-August von Sachsen-Weimar schenkte dem Verbündeten aus Anhalt die Rüstung seines Ahnherrn Bernhard, der die Schlacht bei Lützen nach Gustav Adolfs Tod siegreich zu Ende geführt hatte. Ein angemessener Harnisch für den Vorreiter der kleinen Länder, die 1785 schließlich doch die Dominanz der Preußen in ihrer Runde dulden mussten?
Auch wenn dieses zentrale Exponat bereits in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts nach Amerika verkauft wurde und vom Metropolitan Museum of Art aus konservatorischen Gründen nicht ausgeliehen werden konnte, birgt das Interieur des Gotischen Hauses eine Fülle von Überraschungen.
Die neue Hängung der oft erst in jüngster Vergangenheit zurückgewonnenen Gemälde stiftet Sinnzusammenhänge zwischen der Imitation des Altdeutschen, der Rückversicherung des Fürsten in der eigenen Familiengeschichte und den Verweisen auf das Sehnsuchtsland Italien. Selbst die Einbettung der Glasfenster aus Schweizer Kirchen erscheint nun programmatisch: Immerhin zeigen sie eidgenössische Motive wie den Rütlischwur, der dem Fürstenbündler ebenfalls als Modell gedient haben dürfte.
Schlacht an der Brücke
Dem Schwedenhaus, dessen Entstehung gleichfalls auf die Jahre zwischen 1782 und 1786 datiert, widmet die Sonderschau ein Kabinett, das die Geschichte bis zur Zerstörung in der DDR nacherzählt. Im Sommersaal ist zudem ein großes Diorama aufgebaut, das an ein anderes Scharmützel des Dreißigjährigen Kriegs erinnert: Beim Gefecht an der Dessauer Brücke hatte 1626 noch Wallenstein über den Grafen von Mansfeld triumphiert. Gustav Adolf konnte damals nicht helfen. Er landete erst vier Jahre später an der deutschen Küste und trat seinen Siegeszug an, den das "Patriotische Archiv für Deutschland" 1786 so zusammenfasste: "Was Luther für die Gründung der Gewissens-Freiheit gewesen, das war Gustav Adolf vor deren Erhaltung und vor die politische Freyheit von ganz Deutschland."
Ausstellung bis 18. November, Besichtigung nur im Rahmen von Führungen möglich, Eröffnung heute 11 Uhr.