Wolfgang Wagner Wolfgang Wagner: Dem Erbe verpflichtet

Bayreuth/dpa. - Als er vor einem Jahr als dienstältester Intendantder Welt seinen Abschied nahm, ging Wagner als Sieger: Nach langemTauziehen hatte er sich im Streit um die Nachfolge durchgesetzt unddie Herrschaft seiner Familie auf dem Grünen Hügel gesichert. SeineTöchter Katharina Wagner (31) und Eva Wagner-Pasquier (64) gebenjetzt den Ton im Festspielhaus an.
Mit Charme, List und einem gehörigen Maß Sturheit widerstandWagner jahrelang allen Versuchen, ihn aus dem Amt zu drängen. Miteinem lebenslangen Vertrag ausgestattet, galt für ihn das Motto desLindwurms Fafner aus Richard Wagners Oper «Siegfried»: «Ich lieg undbesitz.» Da er Katharina, seine Tochter aus zweiter Ehe, alsNachfolgerin zunächst nicht durchsetzen konnte, verweigerte er denRücktritt. Zugleich verschanzte sich der von vielen Seitenangefeindete Festspielchef zunehmend; der Ton zwischen Bayreuth undden Regierungen in Berlin und München wurde immer gereizter.
Die Situation war festgefahren, als ein Drama von RichardWagnerscher Dimension die Lösung brachte: Völlig überraschend starbWolfgang Wagners zweite Ehefrau Gudrun, 25 Jahre jünger als er undheimliche Herrscherin auf dem Hügel, im November 2007. Für Wagner einschwerer Schlag, der aber zugleich die Tür öffnete für die verstoßeneTochter aus erster Ehe, Eva Wagner-Pasquier. Es kam zurWiederannäherung und schließlich zur Einigung auf die schwesterlichenDoppelspitze - der gesundheitlich angeschlagene Wolfgang Wagnerkonnte in Frieden seinen Abschied nehmen.
Geboren wurde Wolfgang Wagner am 30. August 1919 in Bayreuth alsdrittes Kind von Siegfried und Winifred Wagner. 1939 wurde er imKrieg gegen Polen verwundet. 1940 aus der Wehrmacht entlassen, begannWagner seine künstlerische Mitarbeit bei den Festspielen sowie an derPreußischen Staatsoper Berlin. Nach dem Zweiten Weltkrieg baute ergemeinsam mit seinem älteren Bruder Wieland Wagner ab 1950 die durchdie Nähe zu den Nationalsozialisten diskreditierten Festspiele wiederauf. Bereits ein Jahr später fanden die ersten Festspiele statt. DieInszenierungen von «Neu-Bayreuth» sorgten in den 1950er Jahrenweltweit für Aufsehen. Freilich stand Wolfgang Wagner, eingeschickter Kaufmann und Organisator, als Regisseur stets im Schattendes Bruders Wieland.
Nach Wielands frühem Tod im Oktober 1966 übernahm der Jüngere diealleinige Verantwortung für die Festspiele, die alljährlich fast60 000 Besucher anziehen und sich einer weltweiten Nachfrageerfreuen. Es gelang ihm, die besondere Atmosphäre am «Grünen Hügel»zu erhalten. Bis heute versammeln sich im Sommer renommierte Sängerund Musiker aus aller Welt in Bayreuth, um hier - zu deutlichniedrigeren Gagen als anderswo üblich - aufzutreten.
Unter Wagners Ägide entstanden mehr als 1700 Aufführungen imFestspielhaus. Daneben schuf er zwölf eigene Inszenierungen. Währender für seine eigenen, oft konventionellen Arbeiten auch Kritikertragen musste, bewies Wagner als Intendant immer wieder Mut zuNeuerungen. Er öffnete die Festspiele für Regisseure von außen undholte schon 1972 Götz Friedrich, dessen «Tannhäuser» für einenSkandal sorgte.
Später kamen Patrice Chereau («Der Ring des Nibelungen» 1976),Heiner Müller («Tristan und Isolde» 1993) und Christoph Schlingensief(«Parsifal» 2004) hinzu. Auch alle großen Wagner-Dirigenten von HansKnappertsbusch bis Christian Thielemann folgten Wagners Ruf. Danebenlag sein großes Verdienst in der finanziellen Stabilisierung derFestspiele. Auch die bauliche Substanz im Festspielbezirk sanierteund erneuerte er unermüdlich.
Zwist im Wagner-Clan sorgte immer wieder für Schlagzeilen. Nachdem Tod von Bruder Wieland brach Wolfgang Wagner zunächst mit dessenFamilie. Nichte Nike Wagner, Tochter von Wieland Wagner, gehörtedanach zu seinen schärfsten Kritikern. 1976 ließ sich Wagner vonEhefrau Ellen Drexel (gestorben 2002) scheiden, um seineMitarbeiterin Gudrun Mack zu heiraten. In der Folge kam es zum Bruchmit Tochter Eva und Sohn Gottfried, der in seinem Buch «Wer nicht mitdem Wolf heult» mit dem Vater abrechnete.