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Wissenschaft Wissenschaft: Krieg und Frieden bestimmen Forscherleben

Von Ulrich Steinkohl 23.08.2005, 09:10
Der Friedensforscher an der Universität Bremen, Prof. Dieter Senghaas, gestikuliert während eines Gesprächs (Foto: dpa)
Der Friedensforscher an der Universität Bremen, Prof. Dieter Senghaas, gestikuliert während eines Gesprächs (Foto: dpa) dpa

Bremen/dpa. - An diesem Samstag (27.)wird er 65 Jahre alt.

Senghaas ist einer der Väter der Friedens- und Konfliktforschungin Deutschland. Zusammen mit Wissenschaftlern wie Carl Friedrich vonWeizsäcker und Alexander Mitscherlich etablierte er die in den USAentstandene Forschungsrichtung hier zu Lande. So war er auch an derGründung der renommierten Hessischen Stiftung für Friedens- undKonfliktforschung 1970 beteiligt. «Der Ost-West-Konflikt war für michder Anfang», erinnert sich der in Geislingen/Steige (Baden-Württemberg) geborene Sozialwissenschaftler. Seine Doktorarbeit ausdem Jahr 1967 befasste sich mit der «Kritik der Abschreckung».

Der Kalte Krieg mit den Supermächten USA und UdSSR im Zentrum, diewachsenden Atomwaffenarsenale und die nukleare Abschreckungbestimmten damals Politik wie Forschung. In seinen Veröffentlichungender siebziger Jahre befasste sich Senghaas mit Fragen wie «Rüstungund Militarismus» oder «Aufrüstung durch Rüstungskontrolle». DerZusammenbruch der Sowjetunion und des Ostblocks Ende der achtzigerJahre kam auch für die Wissenschaft überraschend. «Man hielt dasSystem für reform- und regenerationsfähig, was sich als falschherausgestellt hat.»

Das heutige Hauptrisiko für den Weltfrieden sieht Senghaas nichtim Konflikt mit dem islamistischen Fundamentalismus und iminternationalen Terrorismus. «In den nächsten 30, 40 Jahren wird esein ganz großes Problem sein, wie sich die USA und China arrangieren.Das ist eine nicht unbrisante Konstellation.» China wachse alsGroßmacht nach und sei ähnlich «selbstbezogen» wie die USA. Riskantseien auch «schleichende Prozesse» wie der Klimawandel, die plötzlich«kippen» und zu Katastrophen führen könnten.

Die Auflösung des Ost-West-Konflikts zwang die Friedensforschungzu einer Neuorientierung. Doch Senghaas hatte sich schon lange zuvormit anderen Fragen wie der Nord-Süd-Problematik, der Weltwirtschaftund der Entwicklung Europas befasst. In den vergangenen Jahren wandteer sich einem völlig neuen Thema zu: der Verarbeitung von Krieg undFrieden in der klassischen Musik. Seit jeher hätten Komponisten sichdavon inspirieren lassen, meint er. Sein Lieblingsbeispiel istBeethovens Messe «Missa Solemnis» und darin insbesondere das «Donanobis pacem» (Gib uns Frieden) im Schlussteil. «Beethoven hat denWiderstreit von Krieg und Frieden auf unglaubliche Weise bearbeitet.»

«Musik und Frieden» war auch das Thema seiner letzten Vorlesung.Im kommenden Wintersemester wird Senghaas erstmals nicht mehr imHörsaal stehen. Bis Ende 2006 hat er an der Universität Bremen nochim Sonderforschungsbereich «Staatlichkeit im Wandel» zu tun. Doch erdenkt schon über ein Projekt für die Zeit des Ruhestands nach. «EineArbeit über die "Ästhetik des Friedens" würde mich reizen.»