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Wieder fliegen Wieder fliegen: Erfurter Band "Anger 77" kehrt für einen Abend zurück

Von Steffen Könau 19.12.2018, 08:15
Andreas Siegmund und René Koch sind seit dem Ende der 80er Jahre die Konstanten bei Anger 77.
Andreas Siegmund und René Koch sind seit dem Ende der 80er Jahre die Konstanten bei Anger 77. Nora Klein

Erfurt - Ein bisschen sieht die Bühne wie eine Hüpfburg aus. Andreas Siegmund schmunzelt. „Ungewöhnlich“, sagt der Mann, der Anfang des Jahrtausends mit seiner Band Anger 77 auf dem Sprung schien, Ostdeutschlands Antwort auf die Sportfreunde Stiller und Tocotronic zu werden.

Auftritt bei „Rock am Ring“

Doch 20 Jahre später steht Siegmund, den alle nur Sigi nennen, in einem Erfurter Hinterhof, kurz vor einem der selten gewordenen Auftritte von Anger 77. Die Band aus der thüringischen Landeshauptstadt spielt heute bei „Rock am Ring“, allerdings nicht bei dem „Rock am Ring“, sondern beim augenzwinkernd fast gleichnamigen Rock am Erfurter Altstadtring. Familiäre Atmosphäre, 250 Fans jubeln, als Andreas Siegmund den alten Hit „So jung und schon am Ende“ singt.

Der 47-jährige Sänger oben auf der Bühne freut sich, ebenso wie Gitarrist René Koch, neben Siegmund übriggeblieben von der Schülerband, die Anfang der 90er mit Fury in the Slaughterhouse tourte, im Vorprogramm von Phillip Boa spielte, einen Vertrag von Robbie Williams’ Plattenfirma bekam, Videos in den USA drehte und von BAP-Chef Wolfgang Niedecken als „meine legitimen Nachfolger“ gelobt wurde.

Von wegen so jung und schon am Ende. Der Weg schien klar. Sigi, Koch, nur „Kocher“ genannt, die Brüder Ludwig und Fabian Kendzia an Gitarre und Schlagzeug und Bassmann Daniel Riethmüller waren zu Großem berufen, das glaubte auch Fury-Sänger Kai Wingenfelder, der das Album „Allein im Flugzeug“ produzierte.

Allein die Selbstmord-Hymne „Vielleicht“ hätte genügen müssen, Anger 77 an die Spitze der Charts fliegen zu lassen. Stattdessen aber griffen die Mechanismen einer westdeutsch geprägten Industrie: Erfurt ist nicht Köln oder Hamburg, es ist nicht einmal Erfurt, denn wo Hamburger und Kölner Radiomacher stolz sind, Musik aus der Region zu spielen, reagieren die Sender im Osten damals mit Ablehnung. Kommt von hier. Kann nicht gut sein.

Die fünf Anger-Musiker haben weitergemacht, Alben eingespielt und Konzerte gegeben. „Aber irgendwie hat es nicht sein sollen“, sagt René Koch heute, immer noch stolz auf die Zeit, aber auch froh, „dass wir das überlebt haben“. Das Rockbusiness, das haben die vier Jahre da oben ihm und den anderen gezeigt, ist mörderisch; es quetscht aus, es ist reines Geschäft, keine Kunst.

Die aber ist es, die am Ende Spuren hinterlässt, wie die Bandmitglieder in den vergangenen Jahren immer wieder bemerkt haben. „Allein im Flugzeug“, zwölf Lieder zwischen Radiohead, Die Ärzte und Bowie, bedeutet vielen Menschen viel. Songs wie „Ich möchte nicht Teil einer Jugendbewegung sein“ oder die Hochzeitshymne „Weißes Kleid und rote Rosen“ klingen in mehr Menschen nach als die Verkaufszahlen des Album seinerzeit vermuten ließen.

Traditionelle Weihnachtsshow

Das traditionelle Anger-77-Weihnachtskonzert, das seit 1997 immer am letzten Abend vor Heiligabend stattfindet, steht zum 20. Jubiläum von „Allein im Flugzeug“ deshalb ganz im Zeichen des Albums, das den großen Durchbruch dann doch nicht brachte, aber auch heute noch frisch klingt und genauso wild, wie die Zeiten waren. Zum ersten Mal seit 15 Jahren tritt die Band am kommenden Sonntag im Erfurter Gewerkschaftshaus wieder in Fast-Originalbesetzung auf. Bereit, noch einmal zu fliegen.

Gitarrist René „Kocher"Koch mit seiner Band „Floyd Pepper & The Swinging Club“

Mehr zu Band und Konzert: www.anger77.de

(mz)