Wie im Rausch: The Chemical Brothers in Düsseldorf
Düsseldorf/dpa. - Am Anfang steht eine freundliche Verneigung. Mit Klängen der Elektro-Pioniere von Kraftwerk, den Urvätern des elektronischen Sounds, begrüßen Tom Rowlands und Ed Simons am Montagabend 3000 Fans in der Düsseldorfer Philipshalle. Rowlands und Simons haben als Chemical Brothers just ihr sechstes Album «We are the night» vorgelegt und sind deshalb zum ersten Mal seit zweieinhalb Jahren in Deutschland auf Kurz-Tournee.
Nach zwölf Jahren und mehreren Millionen verkauften Platten haben die «Hohepriester des Big Beat» weit ausgeholt, um den Rest der Welt musikalisch zu erobern: Im Videoclip zu «Galvanize» aus ihrem bislang erfolgreichsten Album «Push the button» waren es Einwanderer-Kids aus dem Getto, die sich dem Tanzzwang der gewaltigen Klang-Kaskaden nicht erwehren konnten. In ihrem neuen Video zur Single«Do it again» sind es arabische Jungen.
Der Takt, den die Chemical Brothers in Düsseldorf vorgeben, versetzt das Publikum aber zunächst ästhetisch und akustisch in Kriegszustand: Es knallt, grollt und wummert zur Untergangsfantasie «Push the button». Über die meterhohen Videoleinwände fliegen Bomber, rollen Panzer, marschieren Soldaten. Der Zuschauer wird schließlich in einem Egoshooter-Spiel ausgesetzt - als Opfer. Laserstrahlen schießen über seinen Kopf, er hetzt durch einen Wald.
Aber die DJs aus Manchester haben nicht nur den Lärm des militärisch-industriellen Maschinenparks in ihre Computer eingesogen, versampelt und ins Monströse ausgebaut. Die zweifachen Grammy- Gewinner können auch die hymnische Erlösung zelebrieren: Es zwitschert, klirrt, knistert und piept. Schmetterlinge und Tauben flattern in Zeitlupe über die enorme Projektionsfläche, Tänzerinnen schweben schwerelos, bis brutal harte Bass-Schläge das Publikum auf den Boden zurückholen.
Weil sie die Tanzflächen regelmäßig mit rhythmisch-treibenden Superhits verwöhnen, dürfen die Chemiebrüder sich dazwischen kompromisslos und unkommerziell über alle instrumentalen Klang- Gewohnheiten hinwegsetzen und mit dem synthetischen Schall-Universum wild experimentieren.
Was da am Rand der Schmerzgrenze auf die Augen und Ohren der Zuschauer einstürzt, steuert das Duo von seinem Kommandostand aus nicht als knapp zweistündige Tanzorgie, sondern als visuell- akustischen Rausch, der überwältigt.