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Werner Herzog Werner Herzog: Keimender Samen bringt Erleuchtung

Von Thomas Altmann 31.10.2003, 18:27

Leipzig/MZ. - Buddhisten aus Graz hatten den Filmregisseur Werner Herzog gebeten, eine Kalachakra-Initiation, eines der wichtigsten Rituale des Buddhismus, zu dokumentieren. Herzog, der seit Jahren mehr dem Dokumentar- als dem Spielfilm zugeneigt ist, sagte zu. Darüber hinaus entschloss er sich, das in der österreichischen Diaspora geplante Ritual schon ein Jahr zuvor in Tibet selbst zu filmen. "Rad der Zeit" heißt sein Film, der jetzt in Leipzig uraufgeführt wurde. Der Titel entspringt der Symbolik des Sandmandalas, dessen mehrtägige Entstehung den Mittelpunkt der Kalachakra-Initiation bildet. Der Ritus soll den schlummernden Samen der Erleuchtung aktivieren.

Im Film werden die Gesichter der Menschen selbst zu beredten Wegweisern in einer fremden Kultur. Eine halbe Million Pilger folgten dem Ruf des Dalai Lama, zum Baum der Erleuchtung zu kommen, um jenen Samen keimen zu lassen.

Und Herzog mischte sich mit einer einfachen Digitalkamera unter die Pilger. "Ich bin der Intensität meiner Faszination gefolgt", sagt er. Den Film habe er praktisch vorgefunden. Seine Kommentare sind knapp und prägnant, vom Dalai Lama gibt es Philosophie gepaart mit schulterklopfender Heiterkeit.

Vor allem aber reden die Bilder. Ein Pilger war dreieinhalb Jahre unterwegs und maß 4 000 Kilometer mit seinen Schritten aus: "Ich weiß jetzt, wie groß die Welt ist," sagt der Mann, dessen Stirn wund ist. Aber auch der längste Weg endet enttäuscht. Seine Heiligkeit musste aus Gesundheitsgründen die Initiation in Tibet abbrechen. Auch wenn der Dalai Lama später in Graz den Ritus vollzog, erscheinen diese Ereignisse wie ein Nachspann.

Der finale Schwenk von der Stadthalle zum verlassenen indischen Pilgerort unterstreicht Herzogs gespaltenes Verhältnis zum "Religionstourismus". Was bleibt, ist ein einsam betender Mönch.