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Weill-Fest in Dessau Weill-Fest in Dessau: Betörende Jazzklänge zerstreuen das Leid

Von thomas altmann 04.03.2013, 19:14
Nils Landgren & Bohuslän Big Band in Dessau
Nils Landgren & Bohuslän Big Band in Dessau sebastian gündel Lizenz

dessau/MZ - Wieder rinnen die Sterne durch Gottes viel zu große Finger, nun wie feinkörniger Sand. Verloren in den Sternen, verschwunden hinter messerscharfen Ecken oder schlafwandelnd auf den Spuren des alten Ödipus: „Music for a Weill“ überschrieben Nils Landgren und die Bohuslän Big Band ihren betörenden Beitrag zum Kurt-Weill-Fest am Sonnabend im Anhaltischen Theater.

Das Thema spielt mit „Music for a While“, mit jenen Versen von John Dryden aus „Oedipus, King of Thebes“, vertont von Henry Purcell. Programmatisch, hier in einer Nachdichtung von Sebastian Viebahn, heißt es da: „Musik soll kurze Zeit zerstreuen all eu’r Leid … bis ihr (Alekto) vom Haupt die Nattern fall’n und die Peitsche aus der Hand“. Und sie fallen, die Nattern, die Peitsche aus den Klauen der Unaufhörlichen, sie fallen weich, wie einer Beschwörung folgend.

Nun trifft Weill auf Purcell in der roten, atmenden, poetisch röhrenden Posaune. Und dann Landgrens Stimme, diese Treibsand-Stimme mit ihren lichten Verschattungen, diese Segle-doch-über-den-Ozean-Stimme, die die Takelage unmerklich zum Zerreißen spannt. Die Band zeigt sich mal frei, mal gediegen orchestral, ein Farbenrausch, altmeisterlich gesetzt oder wie aus freier Gewalt auf das Blatt fließend. Es ist ein Orchester aus Solisten, die intensive Gespräche führen und dabei herrlich verstiegen fabulieren. Weill trifft nicht nur Purcell, sondern unter anderen auch Johann Sebastian Bach, das Ganze arrangiert von Jörg Achim Keller, Leiter der NDR Bigband. Der „September Song“ klingt eher nach fröhlich fallender Lebenszeit als nach Melancholie und Landgrens Stimme nun wie eine gestopfte Trompe. Die Besinnlichkeit wird ohne Pause nachgetragen mit Antonio Vivaldi. „Speak Low“ wird gar verwoben mit „Lass mich mit Tränen mein Los beklagen“, aus der Oper „Rinaldo“ von Georg Friedrich Händel.

Gerade wurde Nils Landgren zum Ehrenmitglied der Kurt-Weill-Gesellschaft ernannt, da geht es sogleich zur Leichenfeier aus Purcells „Funeral for Queen Mary“. Die gefallenen Sterne aus „Lost in the Stars“ irrlichtern, während der faltige Bilbao-Mond sich selbst überrundet und dabei einen Brandy kippt. Und Landgren kann selbst ohne Posaune posaunen.