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Wegbereiter der Moderne Wegbereiter der Moderne: Vor 175 Jahren starb Francisco de Goya

Von Jörg Vogelsänger 15.04.2003, 06:02
«Tobías y el ángel» (Tobias und der Engel) ist eines der bislang unbekannte Ölgemälde des Malers Francisco de Goya y Lucientes, die in Madrid aufgetaucht sind. (Foto: dpa)
«Tobías y el ángel» (Tobias und der Engel) ist eines der bislang unbekannte Ölgemälde des Malers Francisco de Goya y Lucientes, die in Madrid aufgetaucht sind. (Foto: dpa) EFE

Madrid/dpa. - Der große spanische Maler Francisco de Goya y Lucientes ist wieder ganz aktuell. Und das nicht nur, weil gerade seine wunderbaren Fresken in der Madrider Wallfahrtskirche San Antonio de la Florida für 1,5 Millionen Euro restauriert werden. Für Gesprächsstoff sorgt derzeit vielmehr die Entdeckung zweier angeblich bislang unbekannter Bilder des als «Vater der modernen Kunst» geltenden Meisters, dessen Todestag sich am Mittwoch (16. April) zum 175. Mal jährt und.

Die beiden Ölgemälde mit religiösen Motiven, «Die Heilige Familie» und «Tobias und der Engel», sollen um 1787 entstanden seien. Sie wurden per Zufall in dem Privathaus einer Madrider Familie gefunden, wo sie als vermeintlich wertlose Bilder den Flur und das Schlafzimmer zierten. Mehrere Experten haben die Werke bislang begutachtet, Zweifel an der Echtheit hat keiner geäußert - nicht einmal die Fachleute des Prado-Museums, das weltweit die größte Goya-Sammlung besitzt. Anfang Mai sollen die Bilder für ein Mindestgebot von fünf Millionen Euro in Madrid versteigert werden.

Goya, als Sohn eines Vergolders und einer aus dem niederen Landadel stammenden Frau in dem nordspanischen Dorf Fuendetodos bei Saragossa geboren, war seiner Zeit weit voraus. Seine kühne Darstellung von Natur, Raum, Licht und menschlichen Körpern galt als revolutionär. «Er öffnete einer ganzen Reihe von Stilrichtungen die Tür, die sich erst viel später entwickelten, wie etwa dem Impressionismus, dem Expressionismus und sogar dem Surrealismus», meint der Kunstexperte Arturo Ansón. Der Maler selbst nannte stets Velázquez, Rembrandt und «die Natur» als seine größten Vorbilder.

Was an Goya neben seiner Maltechnik so fasziniert, ist sein zeitkritischer Blick. Er war ein politischer Maler, der Krieg, Elend oder die Kirche anklagte. Die Mächtigen seiner Epoche stellte er in seinen Bildern zuweilen wie Karikaturen bloß. So etwa in dem großformatigen Porträt der Familie Karls IV. aus dem Jahre 1801. Er konnte es sich leisten, Königin María Luisa, die wahre Herrscherin am Hofe, in arroganter Hässlichkeit und den Monarchen selbst als dümmlich dreinblickenden Statisten darzustellen. Tadel hatte Goya nicht zu befürchten, als Erster Hofmaler genoss er die Anerkennung der Krone. Das Monarchenpaar fühlte sich sogar stets «gut getroffen».

Zu dieser Zeit hatte Goya eine schwere Krise hinter sich. 1792, mit 46 Jahren, war er nach einer mysteriösen Krankheit - vielleicht war es auch ein Schlaganfall - völlig taub geworden. Das war aber nicht der einzige Schicksalsschlag. Fünf seiner sechs Kinder waren früh gestorben, und 1802 starb auch seine Geliebte, die Herzogin von Alba. Sie hatte ihn zu zwei seiner berühmtesten Bilder inspiriert, der bekleideten und der unbekleideten «Maja», so die damalige Bezeichnung für die einfachen Madrider Frauen.

Tiefe seelische Wunden hinterließen bei Goya aber auch die Gräuel des Unabhängigkeitskrieges gegen die Truppen Napoleons (1808-1814). Seine Eindrücke verarbeitete er in einer Serie von 82 Radierungen, den «Desastres de la guerra» (Schrecken des Krieges), die so realistisch waren, dass sie erst gut 50 Jahre später erstmals veröffentlicht wurden. «Ich bin dort gewesen, Doktor, in der Hölle, Sie, wenn einer, wissen es doch. Und mir hat auch geschwindelt. Und dass es die anderen schwindelte, sehen Sie, genau das habe ich gewollt», lässt Lion Feuchtwanger den Meister in seinem Buch «Goya. Der arge Weg der Erkenntnis» sagen.

Zwischen 1819 und 1823 zog sich der Maler in sein Landhaus bei Madrid zurück. «La Quinta del Sordo» (Haus des Tauben) wurde es im Volksmund genannt. Alt und krank, ließ er dort seinen düsteren Visionen freien Lauf. Er bemalte die Wände mit dunklen, spukhaften Bildern, den «Pinturas negras» (Schwarzen Gemälden). Sie wurden später auf Leinwand übertragen. Doch irgendwann ertrug der Maler die absolutistische Herrschaft von Ferdinand VII. nicht mehr, zumal die von ihm wieder eingeführte Inquisition Goya wegen seiner «Majas» im Visier hatte. Unter dem Vorwand, eine Kur zu machen, ging er 1824 ins französische Exil. Vier Jahre später starb er in Bordeaux.