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Vertrauen auf Bauchgefühl Vertrauen auf Bauchgefühl: Annemarie Brüntjen und ihre tragenden Rollen

Von Mike Händler 23.03.2018, 09:00
Annemarie Brüntjen (Kriemhild), Alexander Gamnitzer (Siegfried) in „Die Nibelungen“ am Neuen Theater
Annemarie Brüntjen (Kriemhild), Alexander Gamnitzer (Siegfried) in „Die Nibelungen“ am Neuen Theater Falk Wenzel

Halle (Saale) - Am Anfang war der Hund. Sozusagen tierisch war die erste Rolle der Schauspielerin Annemarie Brüntjen in einem Weihnachtsmärchen. Da ging sie allerdings noch in die Grundschule in Ekern bei Oldenburg. Und schon da stand fest: „Ich will Schauspielerin werden“, sagt die heute 24-Jährige.

In Matthias Brenners gelungener Inszenierung der „Nibelungen“ zum Saisonstart beeindruckte sie in Halle als Kriemhild im Neuen Theater. Und aktuell steht sie als Polly Peachum in der „Dreigroschenoper“ von Bertolt Brecht und Kurt Weill auf der Bühne des halleschen Opernhauses. In dem Stück verbinden sich ihre beiden größten Leidenschaften: Theater und Musik.

Förderung im Elternhaus

Die musischen Fächer wurden stets vom Elternhaus gefördert: „Meine Mutter hat mich oft ins Theater mitgenommen. Und ich mag es einfach, in andere Welten einzutauchen“, sagt Brüntjen. Neben der Leidenschaft zum Schauspiel kam der Unterricht an Geige und E-Gitarre hinzu. In einer Punkrockband spielte sie zu Schülerzeiten auch.

Weniger anarchisch ging es in der Gastwirtschaft ihrer Eltern zu. Dort gab es regelmäßig Irish-Folk-Abende. Ein Grund für ihre Beziehung zu Irland, das sie schon mehrmals besucht - und in einem Pub bei Gelegenheit auch schon mal in Traditionals eingestimmt hat.

Als Schauspielerin ist Annemarie Brüntjen vernarrt in Sprache und Literatur. Anton Tschechow ist ihr Lieblingsautor: „Seine Geschichten kommen mitten aus dem Leben. Man verbindet sich schnell mit den Charakteren.“ Aber auch moderne Stücke wie der „Club der Enttäuschten“ von Felicia Zeller, in dem Sprache experimentell genutzt werde, sagen ihr durchaus zu.

Studiert hat sie bis 2016 an der renommierten Berliner Schauspiel-Schule „Ernst Busch“. „Man sagt uns nach, wir seien eiskalte Techniker“, erzählt sie. Glaubt man das? Das sei im Prinzip eher die Frage der Methodik. „Ich fülle meinen Charakter von außen nach innen – wenn man das so sagen kann.“ Das bedeute, dass die entwickelte Emotionalität im Spiel von den äußeren Umständen aufgenommen werde. „Die Umkehrung würde meine Vielfältigkeit einschränken, weil ich nur eine Emotion nach außen trage.

Ihr Lehrer Veit Schubert sagt: „Die Geschichte steht im Vordergrund.“ Wenn man der Lebendigkeit der Schauspielerin auf der Bühne und abseits davon gewahr wird, ist „eiskalte Technik“ wirklich ein falscher Gedanke. Zu ihrer Wahlheimat Halle hat die Norddeutsche bereits seit dem Studium in Berlin eine Verbindung: Die gebürtige Hallenserin Karoline Teska gehörte zu ihrem Jahrgang. Und diese sei ganz aus dem Häuschen gewesen, als sie erfuhr, dass Brüntjen am Neuen Theater zum Vorsprechen eingeladen wurde. „Ich schätze die Gegensätze von Halle: Die Stadt hat eine wunderschöne Architektur - aber mir gefallen auch die nicht so perfekten Ecken hier.“

Dass die Händelstadt eine große Musiktradition besitzt, gefällt ihr ebenso. Die Funktionalität der Musik im Theater war Thema ihrer Diplomarbeit an der Schauspielschule. Und wenn Musik zur Sprache kommt, sieht man stets ein Strahlen in Annemarie Brüntjens Augen. Musik bleibe ihr dennoch auch rätselhaft: „Warum können uns Töne so berühren“, fragt sie. „Manchmal habe ich das Gefühl, dass das Schauspiel es ungleich schwerer hat, die Herzen des Publikums zu erreichen.“ Bis heute schreibt sie Songs. Und irgendwann möchte Brüntjen ihre Lieder wieder öffentlich zu Gehör bringen. Dem Punk ist die Künstlerin allerdings entwachsen, sie bevorzugt nun das Singer-Songwriter-Fach.

Spielen, nichts als spielen

Und was bringt die Zukunft? Das beantwortet Annemarie Brüntjen mit ihrem Mantra: „Ich verlasse mich stets auf mein Bauchgefühl. Und ich will spielen, spielen, spielen.“ Die Bühne des Neuen Theaters wird ihr wie bisher genügend Gelegenheit dafür bieten. Und vielleicht folgen in Kürze noch einige hiesige Konzertsäle mit ganz neuen Tönen.

››„Die Dreigroschenoper“ mit Annemarie Brüntjen als Polly Peachum gibt es wieder am 30. März um 18 Uhr im Opernhaus Halle zu sehen.

(mz)