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Verdi-Oper in Erfurt Verdi-Oper in Erfurt: Die Lombarden ziehen über die Domstufen in die Schlacht

Von joachim lange 16.07.2012, 19:35

erfurT/MZ. - Als das Werk 1844 herauskam, war es so erfolgreich, dass Verdi versuchte mit einer umgearbeiteten Version (unter dem Titel "Jerusalem") im damals heiß begehrten Opernmekka Paris zu landen. Aber in Verdis Top Ten hat es weder die italienische Erstfassung noch die französische Version dieser Oper geschafft.

Dabei haben gerade die Chöre eine spritzig geschmeidige Prosecco-Leichtigkeit, die auch zu sommerlichen Freiluftveranstaltungen passt. Außerdem schmeichelt sich ein Hör-Déjà-vue nach dem anderen ein. Manchmal klingt es nach Routine, aber selbst die ist ja von Verdi. Der sich nur locker um Handlungslogik oder Figurenpsychologie scherende Plot freilich sieht schon ein wenig arg nach Kraut und Rüben aus. Obwohl die Eroberung von Jerusalem durch die Kreuzritter den historischen Hintergrund für die Geschichte der verfeindeten Brüder Arvino und Pagano liefert. Der eine ist der Gute und führt deshalb auch die Kreuzritter an. Der andere war schon mal verbannt und bringt beim erneuten Versuch seinen Bruder zu ermorden, aus Versehen sogar den eigenen Vater um.

Wie es mit versuchten Bruder- und erfolgreichen Vatermördern in der Oper so gehen kann, wird der Bösewicht Eremit im Heiligen Land und stirbt am Ende im Kampf um Jerusalem. Dazwischen gibt es noch das tragische Liebespaar aus Arvinos Tochter Griselda und den zum Konvertieren bereiten Moslem Oronte. Die Virtuosität, mit der die besten Verdi-Opern Liebe und Obsessionen mit großen Haupt- und Staatsaktionen verbinden, lässt hier noch auf sich warten. Das ist mehr Holzschnitt und szenische Collage als Feinzeichnung und nachvollziehbare Entwicklung.

Und so zieht sich Guy Montavon bei seinem szenischen Arrangement im wahrsten Sinne des Wortes auf Stichworte zurück, die als große Lettern von Statisten rein- und rausgeschleppt werden: Fest, Mord, Hass, Fremde, Suche, Frieden. Damit und mit einer Inhaltsangabe aus dem Off vor jedem der vier Akte muss man dann ohne Übertitel über die Runden kommen.

Ansonsten lässt er vor allem die Choristen über die riesige Bodenwelle stapfen oder dort stehen, die ihm Hank Irwin Kittel vor die malerischen Fassaden von Mariendom und Severikirche, letztendlich aber auch vor die Domstufen gesetzt hat, die damit das erste Mal seit Jahren (fast völlig) ignoriert werden. Wenigstens ist so die regensichere Unterbringung des Philharmonischen Orchesters gesichert, das mit Samuel Bächli am Pult unsichtbar und mit angezogener Handbremse auf diese Reise nach Jerusalem geht. Da kommen zwar nicht immer alle im gleichen Takt und Tempo mit. Aber Katja Pellegrino als Griselda ist mit ihren sicheren Höhen schon toll, der dunkel kraftvolle Tigran Martirossian (Pagano) schaut und klingt überzeugend finster und Gabriele Mangione (Arvino) setzt ihm eine gehörige Portion Strahlkraft entgegen. Nur Richard Carlucci hat arg Mühe mit seinem Oronte. Alles in allem: Die Musik hat Charme und die Story Potenzial. Das eine hört man, das andere ahnt man nur.

Nächste Aufführungen: von heute an bis zum 22. Juli sowie 25. bis 29. Juli, jeweils 20 Uhr