Ungelöste Todesfälle Ungelöste Todesfälle: Krimi um ein Verbrechen das es in der DDR nicht geben durfte

Berlin - Ein Mann wird getötet, und die Ermittler sind mit vielen ungewöhnlichen Problemen konfrontiert. Das ist eigentlich nicht weiter bemerkenswert für einen Kriminalroman. In so einer Geschichte muss es Schwierigkeiten geben, um die Spannung zu erhalten. Aber „Morduntersuchungskommission“, der neue Roman von Krimipreisträger Max Annas, spielt in der DDR, und einer der Polizisten entwickelt einen unerwünschten Ehrgeiz.
Der Roman spielt im Jahr 1983 im Großraum Jena. Über einen Zeitraum von zweieinhalb Monaten haben die Kriminalisten einer zentralen Mordermittlungskommission mehrere Fälle zu lösen, die in exakt datierter chronologischer Reihenfolge geschildert werden.
Fürchterlich zugerichtete Leiche an Bahnstrecke entdeckt
Die Ermittlergruppe ist erst einmal für alle Todesfälle zuständig, die nicht eindeutig sind, vom Unfall bis hin zum Mord. Die Männer arbeiten die Fälle routiniert und unaufgeregt ab und finden dabei immer noch Zeit für Streitereien untereinander.
Im Mittelpunkt der Erzählung steht Otto Castorp, Anfang 30, Familienvater mit drei kleinen Kindern und einer Ehefrau, die im Schichtbetrieb arbeitet. Castorp weiß, dass er einmal Karriere machen kann, wenn alles gut läuft, aber das wird dauern. Erst einmal muss er einfach mitlaufen und solide Arbeit abliefern.
Castorps scheinbar geordnete Welt gerät ins Wanken, als an der Bahnstrecke zwischen Jena und Saalfeld eine fürchterlich zugerichtete Leiche entdeckt wird. Der Kopf des Mannes ist so sehr zerstört, dass ein Gesicht nicht mehr zu erkennen ist. Aber eine wichtige Tatsache ist eindeutig: „Was aus dem Kragen der Jacke herausschaute, war blutig. Aber er hatte nur das Blut und nicht die dunkle Haut des Toten wahrgenommen.“
Der Tote muss also einer der mosambikanischen Vertragsarbeiter sein, von denen einige Dutzend in den Fabriken der Stadt arbeiten. Otto und seine Kollegen durchforsten die Wohnheime der Arbeiter und erleben eine Welt, die fast völlig von ihrem normalen Alltag abgetrennt ist.
Gesellschaft von einem alltäglichen Rassismus durchzogen
Der Polizisten gelingt es, den Toten zu identifizieren, und sie erfahren einiges über seine Lebensumstände kurz vor seinem Tod. Die vermeintlich fortschrittliche Gesellschaft ist durchzogen von einem alltäglichen Rassismus, über den sich niemand Gedanken macht. Aber die Afrikaner haben gelernt, sich zu wappnen.
In einer zutiefst erschütternden Passage lässt Annas einen der Polizisten detailliert rekonstruieren, wie der Totschlag abgelaufen sein muss und was das Opfer dabei empfunden haben muss. Eine dermaßen brutale Tat muss aufgeklärt werden, davon sind die Mitglieder der Mordermittlungskommission überzeugt.
Dennoch werden die Ermittlungen auf Anordnung „von oben“ eingestellt. Die Begründung ist angesichts der Tat schwer zu verstehen, aber sie wird wiederholt vorgebracht: „Weißt du, wie das nach außen wirkt? Du willst doch auch nicht, dass der Klassenfeind das ausnutzt.“
Castorp ermittelt auf eigene Faust zu Mordfall
Castorp ist nicht bereit, den Fall auf sich beruhen zu lassen. Zu sehr hat ihn der Mord erschüttert. So beginnt er, auf eigene Faust wie ein Privatdetektiv zu ermitteln. Damit riskiert er seine Karriere bei der Polizei und auch seine Ehe, für die er ohnehin kaum noch Zeit und Interesse aufbringt.
Castorp erweist sich als begabter Detektiv. Er findet nicht nur den Mörder, er kommt auch weiteren Verbrechen auf die Spur. Und das ganz allein. Allerdings ist er nicht ganz allein, denn sein Bruder zeigt ihm, dass die Staatssicherheit immer mit von der Partie ist.
Max Annas zeichnet ein düsteres Bild von der DDR. Die Menschen sind entweder an das System angepasst oder zutiefst deprimiert. Alkohol ist fast immer und überall mit im Spiel. In dieser Welt hat Annas einen spannenden, letztlich aber auch deprimierenden Roman angesiedelt. (Axel Knönagel, dpa)