TV-Kritik zum Frankfurter "Tatort" TV-Kritik zum Frankfurter "Tatort": Ganz lustig so lange die Opernsängerin bellt

Köln - Das IT-Genie Nils Engels (Jan Krauter) hat das Haus seiner Großeltern zu einer Festung ausgebaut und verteidigt es mit allen technischen Mitteln gegen die bedrohliche Außenwelt – und dazu gehören auch die Haustiere der gutbürgerlichen Nachbarschaft.
Gleich in der ersten Szene tritt er eine verirrte Schildkröte platt, in seiner Tiefkühltruhe stapeln sich tote Katzen. Als dann der nette Herr Abendroth (Joachim Bißmeier) spurlos verschwindet, sind sich die Nachbarn darüber einig, dass ihn Engels auf dem Gewissen hat.
Ungefähr zur „Tatort“-Mitte kommt das mutmaßliche Mordopfer allerdings quicklebendig aus dem Urlaub zurück, und die Autoren fangen an, am ganz großen Rad zu drehen:
Es geht jetzt um einen von Engels entwickelten Algorithmus, der merkt, wenn wir emotional erregt sind und dann automatisch die Kamera in unserer Kontaktlinse anspringen lässt. Mit dem Prototyp filmt Engels praktischer Weise die eigene Ermordung.
Die Auflösung
Am Ende hat sich nicht nur eine finstere Big Data-Firma gegen das IT-Genie verschworen, sondern auch die brave Nachbarschaft. Nach dem Mord im Orient Express-Prinzip beteiligen sich (fast) alle daran, Nils Engels in seinen unter Starkstrom gesetzten Elektrozaun zu treiben.
Oder steckt doch ein Auftragskiller dahinter? So richtig aufgeklärt wird der Fall nämlich nicht. Was aber sehr gut dazu passt, dass zuvor nach allen Regeln der Stümperei ermittelt wurde.
Das war gut
Die Autoren versuchen sich auf ungewöhnliche Weise am Genre des Paranoia-Thrillers: Einerseits geht es um eine revolutionäre Schnüffel-Software, und andererseits um den alltäglichen Stellungskrieg am Gartenzaun.
Am Anfang ist diese Querverbindung ziemlich lustig, wie überhaupt die komödiantischen Momente die besten sind: Eine bellende Opernsängerin, ein Abteilungschef, der seinen Kommissaren die Glühbirnen aus den Lampen dreht, und ein Polizeihund, der seine menschlichen Kollegen ermittlungstaktisch um Längen schlägt.
Obwohl: War das wirklich Absicht?
Das war schlecht
Die Frankfurter Kommissare ermitteln in einer Welt ohne Rechtsanwälte; jeder Jura-Student könnte den armen Nils Engels jederzeit locker raushauen. Zunächst nimmt man das noch mit Humor, aber mit der Zeit geht einem das zusehends auf den Geist.
Womit wir auch schon beim ziemlich peinlichen Hacker-Humbug dieser „Tatort“-Folge wären: Hat da jemand vielleicht eine „Mr. Robot“-Staffel zu viel gesehen und versucht, das Gesehene auf Sonntagskrimi-Niveau zu bringen?
Und warum tut man uns das an?
Weil es gut aussieht, wenn Frankfurt in Dunkelheit versinkt, das Thema von einer ARD-Redaktion irgendwie für aktuell gehalten wurde und die Autoren offenbar glauben, dass man sich bei Zukunftsmusik nicht mit ewig gestrigem Kram wie Glaubwürdigkeit und Logik aufhalten muss.