"Hart aber fair"-Kritik "Hart aber fair" mit Frank Plasberg: AfD-Chefin Frauke Petry verteidigt Marcus Pretzells Tweet nach Anschlag auf Berliner Weihnachtsmarkt

Und wieder einmal werden den Zuschauern am Diskussionstresen von „Hart aber fair“ nur kalter Kaffee, schales Bier und viel Lauwarmes angeboten. ARD preist den großen Wahlcheck 2017 an, schließlich stehen im kommenden Herbst Bundestagswahlen an und am 14. Mai die NRW-Landtagswahlen. Thema: „Wie soll Deutschland vor dem Terror geschützt werden, wie weiter in der Flüchtlingsfrage, was bringt mehr soziale Gerechtigkeit?“. Steuerpolitik und innere Sicherheit stehen auf der Karte.
Die Bedienung: Zwei keifende Flügelfrauen, eine fluglahme Ente und drei ermüdende Hähne, die nur Altbekanntes krähen. Gemeint ist Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht und AfD-Chefin Frauke Petry, Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt, FDP-Chef Christian Lindner, Unions-Fraktionschef Volker Kauder und SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann.
Die erste Runde: Steuerpolitik
Der Bund hat 2016 mit einem Überschuss von 6,2 Milliarden Euro abgeschlossen. Was wird von dem Geld am Ende beim Bürger ankommen, will Moderator Frank Plasberg wissen. Bei der Linkspartei herrscht „Happy Hour“: Sahra Wagenknecht will mehr Steuern für „Reiche“ und Entlastungen für die „große Masse“ der Bevölkerung. Sie spricht von fünf Prozent Vermögenssteuer.
„Der Staat schwimmt im Geld, beim Bürger wird es aber immer knapper“, sagt auch FDP-Chef Lindner. Er will internationale Global Player wie Google und Apple in die Pflicht nehmen. Und eine „einfache und transparente“ Erbschaftssteuer: Zehn Prozent auf betriebliches und privates Vermögen.
„Einfach und transparent, das war ja fast populistisch, das nehme ich auf“, entgegnet die AfD-Chefin Petry. Auch sie will ein einfaches System, das dann so aussehen soll: keine Vermögenssteuer, keine Erbschaftssteuer, keine Gewerbesteuer. Wie die AfD das eigentlich finanzieren will, erklärt sie allerdings nicht.
Die unten und die da oben
Auch Göring-Eckardt bezieht sich gern auf die „kleinen Leute“: „Die Steuer muss endlich die Superreichen treffen“, sagt sie. „Die unten fühlen sich abgehängt und die da oben machen sich aus dem Staub.“ „Die da oben“ sind, so ihre Definition, die Leute, die „eine Rolex als Nachthupferl bekommen.“
SPD-Fraktionschef Oppermann will hingegen auf keinen Fall eine Vermögenssteuer, kein „bürokratisches Monstrum“. Doch beim Spitzensteuersatz wäre „Luft nach oben“. Wie viel genau, will er nicht sagen. Und ist damit ebenso inhaltsleer wie Volker Kauder, der die Große Koalition schon allein deshalb lobt, weil sie ihr Versprechen gehalten hat: keine Steuererhöhung.
Zweite Runde: Sicherheit
Der schale Geschmack wird dem Zuschauer auch bei der zweiten Runde nicht vergehen, beim Wahlkampfthema Nummer eins: innere Sicherheit. In Europa rücken rechtspopulistische Parteien immer enger zusammen. Und in Deutschland hat der Rechtspopulismus erst durch die Flüchtlingsdebatte Aufschwung bekommen, die Silvesternacht von Köln gab ihm zusätzlich Auftrieb.
Den Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt , bei dem 12 Menschen getötet und rund 50 zum Teil schwer verletzt wurden, nutzt die AfD, um weiter ausländerfeindliche Ressentiments zu schüren.
Die rechten Parteien aller Länder bejubeln ihre Gemeinsamkeiten. Auch strukturell sind sie eng beieinander: Im Europäischen Parlament gehören zur Fraktion „Europa der Nation und der Freiheit“ unter Marine Le Pen auch FPÖ, Lega Nord und seit Mai die AfD.
AfD: Verbot der Öffentlich-Rechtlichen
Am 21. Januar kommen sie alle zusammen, eingeladen von Frauke Petrys Ehemann, Marcus Pretzell: Rund 1000 Teilnehmer werden auf dem Kongress mit dem Titel „Freiheit für Europa“ in Koblenz erwartet. Wobei „Freiheit“ von den Populisten auf ihre Weise ausgelegt wird: Viele Journalisten sind ausgeschlossen, darunter auch die Öffentlich-Rechtlichen. ARD erwägt daher eine Klage gegen die AfD.
Trotzdem lässt es sich Pretzells Ehefrau nicht nehmen, auch an diesem Abend im Öffentlich-Rechtlichen aufzutreten. Mit ihren altbekannten Rhetorik-Tricks schenkt sie lautstark kalten Kaffee ein. „Frau Merkel trägt Mitverantwortung dafür, was im Rahmen der illegalen Migration passiert“ heißt es von ihr etwa. „Ihre Freiheit wird doch gerne von Terroristen genutzt“, heißt es weiter. Immer wieder unterbricht sie ihre Mitredner, will noch lauter sein als die Kritik, die ihr entgegenkommt. Oder redet einfach unbeirrt weiter, egal, ob sie am Thema komplett vorbei schrammt.
Marcus Pretzell schrieb von „Merkels Toten“
Ob es nach dem Tweet ihres Mannes kurz nach dem Anschlag nicht an Taktgefühl mangele, als dieser, ohne Hintergründe zu kennen, seinen Tweet in die Welt setzte, fragt Frank Plasberg etwa. Pretzell schrieb damals: „Wann hört diese verfluchte Heuchelei endlich auf? Es sind Merkels Tote!“ Petry druckst herum: „Wir haben sehr viel Mitgefühl gezeigt. Schauen Sie nur, wie lange es gedauert hat, bis sich die Regierung mit den Opfern beschäftigt habt.“ Irgendwie versucht sie sich tatsächlich, als Anwältin der Opfer darzustellen.
Nachdem sie Plasberg dann an die eigentliche Frage erinnert, schiebt sie dann schnell etwas ganz anderes vor: „Der Ermittlungsstand bei den polnischen Medien war viel weiter vorangeschritten, die Deutschen hingen hinterher.“ Unionsfraktionschef Kauder wirft ein: „Das ist ja unerträglich, wie Sie argumentieren. Selber Journalisten aussperren und hier so argumentieren.“
Wagenknecht will raus aus AfD-Ecke
Nachdem Linken-Chefin Sahra Wagenknecht jüngst immer wieder internen Widerspruch provozierte, etwa als sie von „Gefahrenpotenzialen“ durch Flüchtlinge gesprochen hatte oder Kanzlerin Angela Merkel mitverantwortlich für den Berliner Terroranschlag machte – unter anderem wegen „der unkontrollierten Grenzöffnung“ – bekräftigt sie ihre Worte auch an diesem Abend. Sie sagt, dass die Regierung Mitverantwortung trage, weil „die Sicherheitsbehörden kleingespart werden“. „Es gab viele Gründe, Amri festzunehmen, warum wurde das nicht getan?“ Ob sie sich mit solcherlei Aussagen nicht weiter der AfD annähere, fragte Frank Plasberg. „Wie bitte, das ist ja eine Ungeheuerlichkeit, mich in die AfD-Ecke zu stellen!“
FDP-Chef Lindner hingegen stellt fest, dass es zwar Terrorismus gebe. „Aber Schuldzuweisungen zerstören die politische Kultur. Das Problem ist, dass es kein Einwanderungsgesetz gibt. Bedürftige Flüchtlinge, die auf Dauer bleiben wollen, müssen sich bewerben“, sagte er. „Wir brauchen robuste Rücknahmeabkommen mit Nordafrika.“
Moscheen als „Brutstätten des Terrors“
Auch SPD-Fraktionschef Oppermann will eine „härtere Gangart gegen den Islamismus“. Den Beschluss seiner Parteikollegen in der Berliner rot-rot-grünen Koalition, der Abschiebehaft und Abschiebegewahrsam gänzlich ablehnt, hält er für falsch. „Wir müssen schnell darüber entscheiden, wer schutzbedürftig ist, den Rest müssen wir zurückführen, sonst wird Asylrecht in der Bevölkerung nicht akzeptiert“, sagte er.
Kauder will zudem Moscheen verstärkt kontrollieren: „Manche dieser Gotteshäuser sind Brutzellen des Terrors“ Und Frau Göring-Eckardt? „Ich mache alles mit, was mehr Sicherheit herstellt“, sagte sie. „Wir müssen Gefährder überprüfen und beobachten.“ Eine Abschiebung hält sie bei „nichtfreiwilligen Rückkehrern“ für sinnvoll. „Freiwillige Rückkehr funktioniert aber immer besser“, meint sie.
Fazit
Die Ausgangslage für die „etablierten Parteien“ ist mau zu Beginn des Wahljahres, das beweist auch der Auftritt der Parteichefs bei „Hart aber fair“. Auch, wenn Frank Plasberg eine streitbare Runde versammelt, die das Zeug für hitzige Diskussionen hat: Eine echte inhaltliche Auseinandersetzung findet kaum statt. Neue Argumente? Fehlanzeige. Es bleibt kühl im Studio. Doch wenn SPD, CDU, FDP, Linke und Grüne die sogenannten Protestwähler, die zur AfD abgewandert sind, zurück gewinnen wollen, müssen sie mehr Profil beweisen. Sonst wird die Rechnung am Ende des Wahljahres hoch ausfallen.