"Anne Will" "Anne Will": Klaus Wowereit und Giovanni di Lorenzo diskutieren über Angela Merkels Entscheidung
Berlin - Bei Anne Will am Sonntagabend ging es nach Merkels Ankündigung, sie werde wieder für das Amt der Bundeskanzlerin kandidieren, um die Frage „Merkels Entscheidung - Das richtige Signal in unsicheren Zeiten?“.
Die Moderatorin hatte in einem Interview schon vorab mit der Bundeskanzlerin gesprochen. Sie habe sich die Entscheidung für eine weitere Kandidatur reiflich überlegt, erklärte Merkel. „Reicht meine Kraft noch?“ und „Kann ich dem Land noch etwas Neues geben?“, habe sie sich vor der Entscheidung gefragt und die Frage mit „Ja“ beantwortet. Sie wisse, dass es ein anstrengender Wahlkampf werde, aber sie freue sich drauf. Alternativlos sei sie als Kandidatin nicht, das wisse sie. Aber an Ruhestand - Merkel ist immerhin schon 62 Jahre alt - denkt sie noch nicht. Anne Will hakte nach, als es ums Programm ging. Soll es so weitergehen wie die vergangenen elf Jahre? Dass das nicht geht, weiß Merkel auch. Sie wolle ihre Politik der Wirklichkeit anpassen.
Verhältnismäßig zurückhaltend trat die Moderatorin in der anschließenden Gesprächsrunde auf. Annegret Kramp-Karrenbauer, CDU-Ministerpräsidentin des Saarlandes, wurde vermutlich nur in die Talkrunde eingeladen, damit sie Angela Merkel verteidigen konnte. Man soll schließlich nicht schlecht über Menschen reden, wenn sie nicht da sind. Alle Parteifreunde hätten sich über die Entscheidung gefreut, unterstrich sie. Das CDU-Wahlprogramm sei noch nicht fertig, aber das der SPD schließlich auch nicht.
Dann sprach sie noch darüber, dass sie selbst in den USA oder Frankreich niemals ein ähnliches Amt wie jetzt innegehabt hätte und dass sie auch – als besonders volksnahe Politikerin – Onlinesprechstunden für Wähler abhält. Zur Diskussion beigetragen hat das nicht viel. Was sie vermutlich sagen wollte: Deutschland hat ein tolles System.
Giovanni di Lorenzo: „Deutschland ist nicht krank“
Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur der „Zeit“, stellte die Frage der Sendung einfach andersherum. „Wie würden wir hier diskutieren, wenn sie gesagt hätte, sie macht es nicht?" Es wäre die schlimmere Alternative, wenn sie nicht mehr antrete. Sie habe ihre Lektion gelernt und sie behaupte auch nicht, dass sie ein Patentrezept habe, analysierte er. Man müsse auch das Gute und Gesunde im Land sehen. „Deutschland ist nicht krank.“ Trotzdem wünscht er sich am Ende eine klarere Politik, mit einem Sichtwechsel. Eine Auflösung der großen Koalition würde unterschiedliche Sichtweisen bringen. Er beleuchtete das Thema kritisch und doch konstruktiv. Der angenehmste Gast an diesem Abend.
Klaus Wowereit (SPD) wurde vermutlich nur eingeladen, weil auch jemand von der SPD dabei sein sollte. Passend dazu sagte er: „Als SPDler ist es mir erstmal egal, ob Merkel noch mal kandidiert.“ Sie könne sich nicht davon distanzieren, von dem was war. „Das Manko ist, sie ist Teil des Systems. Sie kann nicht mit einem komplett neuen Konzept antreten. Auf der anderen Seite habe sie Erfahrung, die Menschen vertrauten ihr und sie habe eine internationale Reputation.“ Der 2014 zurückgetretene Berliner Oberbürgermeister versuchte, allen die Politik zu erklären. Ist schließlich einfach, wenn man damit nichts mehr am Hut hat.
Psychoanalytiker hätte Merkel von Kandidatur abgeraten
Hans-Joachim Maaz, Psychoanalytiker und Autor, hätte Merkel davon abgeraten, noch einmal zu kandidieren, und rumpelte direkt mit dem großen Wort Populismus in den Raum. „Purer Populismus, Phrasen, suggestive Überzeugungen ohne Inhalt“, urteilte er über Merkels Interview zu Beginn der Sendung. Er hätte ihr einen würdigen Abgang gewünscht, den werde sie aber nicht finden in den nächsten Jahren. Der Psychoanalytiker watsche einen nach dem anderen ab, nur Seehofer nahm er in Schutz. Auf dem würden immer alle so böse rumhacken. Dann redete Maaz davon, dass das deutsche System krank und übertrieben und der Kapitalismus am Ende sei, was aber niemand wahrhaben wolle. Pegida halte er für sehr gut. Denn in Protesten liege die Wahrheit, die die Mehrheit nicht sehen wolle. Konstruktive Beiträge: keine.
Wenn man den Querulanten ausblendet, dann könnte man sogar die Eingangsfrage, unter der die Sendung stand, mit „Ja“ beantworten. Angela Merkels Kandidatur in unsicheren Zeiten ist das richtige Signal. Wie die Ausgestaltung ihres Programms aussehen wird, bleibt abzuwarten. Aber darum ging es in erster Linie auch nicht.