TV-Tipp "Secretary" TV-Tipp "Secretary": Eine ungewöhnliche Romanze

Köln - So richtig zu Hause in ihrem Leben ist Lee Holloway nicht. Und von Wohlfühlen im Alltag kann bei ihr schon gar keine Rede sein. Immer dann, wenn’s auch nur ein bisschen schwierig und kompliziert wird, greift Lee zum Messer oder zur Rasierklinge, ritzt sich und schneidet sich in Körperteile, in die man sich selbst ohne Betäubung keinesfalls schneiden sollte.
Ihre Herkunftsfamilie kommt mit dieser Verhaltensweise genauso wenig klar wie Lee selbst, und als ein Therapie-Aufenthalt eher wenig bringt, ist die Verzweiflung zwar noch nicht endgültig, aber die Ratlosigkeit groß. Allen Unsicherheiten zum Trotz fasst Lee den Entschluss, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen, absolviert erfolgreich einen Schreibmaschinenkurs und bewirbt sich als Sekretärin bei einem Anwalt. Von diesem Moment an kommen die Dinge in „Secretary – Womit kann ich dienen?“ (Hessischer Rundfunk, 22.45 Uhr) so richtig in Fahrt.
Denn E. Edward Grey ist kein gewöhnlicher Anwalt, sondern einer, der als exzentrischer Mann mehr als nur ein bisschen mit seinen sadistischen Neigungen hadert. Seine bisherigen Angestellten hat er nicht nur zum Diktat gebeten, weshalb das Arbeitsverhältnis meist nicht von langer Dauer war. Dass seine neue Angestellte bereit ist, mehr als eine klassische Büro-Beziehung einzugehen, merkt Grey schnell. Und Lee begreift fix, dass sie auf Schmerz und Unterdrückung steht – und dass sie immer dann, wenn sie dominiert wird, nicht die Bohne daran denkt, sich die Haut aufzuritzen.
Lust auf Schläge
In „Secretary“ treffen zwei Menschen mit besonderen Neigungen aufeinandertreffen, die so gut zusammen passen wie eine Heftklammer zu zwei Bögen Papier. Die Korrespondenz apportiert Lee schon nach wenigen Tagen auf allen vieren in das Büro ihres Chefs, und wenn der in der Geschäftsbriefen einen Vertipper findet, honoriert er dies mit Schlägen. Und zwar auf Lees Po. Was der wiederum so gut gefällt, dass sie nach kurzer Zeit dazu übergeht, bewusst Fehler in die Geschäftspost einzubauen.
Aus der bizarren Arbeitsbeziehung wird so schnell eine lustvolle Sadomaso-Affäre, bei der Lee an so allerhand Gefallen findet. Im Müll nach Akten suchen müssen? Aber gerne. Für schlecht gekochten Kaffee kritisiert werden? Von ihr aus. Von ihrem Chef ob nachlässiger Kleidung getadelt werden? Jederzeit. Lee findet es derart toll, mies behandelt zu werden, dass Grey zunächst gar nicht damit klarkommt, eine fähige Angestellte und willige Partnerin in persona zu haben; die neu entdeckte Form der Lust befeuert er trotzdem.
Auch dann, als Lee, vor der Wucht der Geschehnisse vorübergehend überfordert, kurzzeitig in eine alte Beziehung flüchtet und dort scheitert. Nach diesem Scheitern finden Sekretärin Lee und Anwalt Grey wieder zusammen, und wie Maggie Gyllenhaal und James Spader diese Liebesgeschichte spielen, ist niemals peinlich, oft herrlich respektlos und immer selbstverständlich und zum Glück nie umständlich oder gar klemmig.
Die Angst, die das ungleiche Paar anfangs vor der eigenen Courage hat, wird zum Schluss zur puren Lust – und „Secretary“ damit zu einem etwas anderen, intensiven Liebesfilm. Ob das romantisch ist? Auf seine ganz eigene Art: unbedingt!