TV-Tipp: "Fraktus" TV-Tipp: "Fraktus": Voll erfunden nichts gelogen
Als der Film Ende 2012 in die Kinos kam, hatte die Band zweifellos das mediale Gipfelkreuz erreicht. Weil sie in den Rang einer Nachricht erhoben wurde. Kurz vor dem Wetterbericht war’s seinerzeit, als „Tagesthemen“-Anchorwoman Caren Miosga die Wiederkehr von Fraktus verkündete. In einem Einspieler erfuhr man dann, wie es den drei Mitgliedern der seinerzeit in Brunsbüttel gegründeten Band seit der Trennung im Jahr 1983 ergangen ist. Und zwar so: Bernd Wand hat sich vom Musikgeschäft verabschiedet und verwirklicht sich nunmehr als Optiker im Geschäft seiner Eltern. Dirk „Dickie“ Schubert hat sehr schlechte Zähne und betreibt in Hamburg ein Internet-Café mit integrierter Bäckerei namens „Surf’n’Schlurf“. Einzig Torsten Bage, mittlerweile auf Ibiza lebend, ist als blondierter Zausel mit DJ-Ötzi-Gedächtnismützchen noch im Musikgeschäft und stellt als Produzent stumpfe Partyhits her.
Die Band, die es nie gab
Klitzekleines Problem bei dieser keinesfalls unglaubwürdigen Konstellation: Bernd Wand, Dickie Schubert und Torsten Bage hat es nie gegeben, Fraktus sowieso nicht. Fraktus und das komplette Drumherum sind eine Kopfgeburt der drei Männer vom Faxenkombinat „Studio Braun“, namentlich Jacques Palminger (Bernd Wand), Rocko Schamoni (Dickie Schubert) und Heinz Strunk (Torsten Bage). Und „Fraktus – Das letzte Kapitel der Musikgeschichte“ (arte, 21.40 Uhr, TV-Premiere), der Film des Regisseurs Lars Jessen über die drei Musiker, die als Klangtüftler und Elektronik-Pioniere (angeblich) den deutschen Techno erfunden haben und, von Depeche Mode über Kraftwerk bis hin zu New Order und Westbam, vermeintlich etliche Künstler inspirierten, ist die Parodie eines Dokumentarfilms, eine Mockumentary. Und was für eine. Devid Striesow versucht als schmieriger Musikmanager Roger Dettner, Fraktus zur Wiedervereinigung zu überreden, und dabei laufen die Dinge, die eigentlich Wohl und Wehe von Fraktus erklären sollten, ein wenig aus dem Ruder – unter anderem deshalb, weil jeder der drei ein Ego hat, das in etwa so groß ist wie ein Flugzeugträger. Dass es trotzdem zum Revival kommt, ist Dettners Hartnäckigkeit geschuldet, die er mit schmierigem Gehabe kombiniert; trotz aller musikalischer Differenzen und ungeachtet multipler persönlicher Animositäten, sind Fraktus 2012 erneut am Start, sie haben wieder Bock.
Techno im Beat des Wasserhahns
Es ist eine wahrlich steile Rampe, die die drei Männer vom Faxenkombinat Studio Braun der Band Fraktus bauen. Weil das perfekt eingespielte Trio Palminger/Schamoni/Strunk aber jeden Absprung perfekt meistert und zum Beispiel Dickie Schubert technoide Rhythmusstrukturen anhand der Funktionsweise eines handelsüblichen Wasserhahns erklärt, denkt man in diesem Film diverse Male: Ja, das ist alles voll gelogen. Aber es ist so verdammt gut ausgedacht, dass es glatt die Wahrheit sein könnte. Mehr noch: Die komplexen Lügen von Fraktus sind die bessere Wahrheit. Indem das Trio mit minimalistischen Sounds und Gaga-Texten die Musikszene der frühen 80er Jahre zugleich imitiert und parodiert, entsteht hintersinniger Quatsch, der mit herrlichem Humor garniert ist und nichts anderes ist als das hier: eine grandiose Verarsche der Mechanismen der Musikbranche. Ein Heidenspaß, dieser Film.
Fraktus – Das letzte Kapitel der Musikgeschichte“, Sonnabend, 21.40 Uhr, arte