TV-Kritik: Maybrit Illner TV-Kritik: Maybrit Illner: Wolfgang Bosbach spielt auf der Klaviatur der Angst vor den Fremden

Berlin - Irgendwann stellte Maybrit Illner dann doch noch die richtige Frage: Warum werden 700 Milliarden Euro zur Rettung von Banken ausgegeben, aber nur 120 Millionen für die Seenot-Rettung, wollte sie bei ihrer jüngsten Talkrunde, erwartungsgemäß zum Thema Flüchtlingskatastrophe, wissen. Sie bekam eine zweiteilige Antwort vom CDU-Politiker Wolfgang Bosbach. Der glaubt nämlich, dass „immer weiter Menschen fliehen“, auch wenn man sie in ihren Herkunftsländern abholte, statt sie auf lebensgefährlichen Booten kommen zu lassen. Die Alternative: Man ließe sie Asylanträge in den deutschen Botschaften stellen. Dann aber, so der Vorsitzende des Innenausschusses, hätten die Behörden bald „Hunderttausende von Asylanträgen“ zu bearbeiten. Zu Deutsch: Wenn man sie nicht abwehrt, kommen immer mehr.
Dass sie auch kommen, obwohl die Festung Europa sie lieber ertrinken lässt, als Rettungsmaßnahmen wie „Mare Nostrum“ weiter zu finanzieren, das geht nicht in die Köpfe solcher Politiker wie Wolfgang Bosbach. Italien habe „Mare Nostrum“ unter massivem Druck auch Deutschlands aufgegeben, daran erinnert Christopher Hein, Direktor des italienischen Flüchtlingsrates. Statt zur Abwehr von Auswanderern „Frontex“ zu schaffen, das kein Mandat zur Seenotrettung habe, hätte man also „Mare Nostrum“ weiterführen können, bevor es zu neuerlichen Todesfällen kam: „Das ist ja keine Naturkatastrophe“.
Wolfgang Bosbach spricht von Dilemma
Bosbach weiß das, spricht aber von einem „unglaublichen Dilemma“. Immer wieder beteuert er im Laufe des Abends, dass Deutschland ja schon so viel tut und so viel Geld ausgibt für Menschen, die ihre Heimat verlassen; dass sie das tun müssen, will er offenbar nicht einsehen. Wer einmal den Bombenterror in Syrien miterlebt habe, weiß der Zeit-Reporter Wolfgang Bauer, der versteht, dass die Menschen dort keine Wahl haben als ihre Heimat zu verlassen. Europa seinerseits habe keine Wahl mehr: „Die Leute kommen.“
Da kann Wolfgang Bosbach noch so eifrig eine Zahl an die andere reihen, um zu beweisen, dass „wir unserer moralischen Verantwortung gerecht“ wurden; in einem Fall habe Deutschland ein Drittel, in einem anderen die Hälfte von Flüchtigen aufgenommen, „soviel wie der Rest der Welt zusammen“. „Wegen Ihrer Zahlen können wir doch keinen ertrinken lassen“ ruft da die Grüne Katrin Göring Eckardt empört. Darauf antwortet Wolfgang Bosbach, wenn man die Außengrenzen der EU öffnen wolle, „dann muss man das den Menschen sagen. Wir haben aber auch eine Verantwortung für unser eigenes Land.“ Er unterschlägt dabei geflissentlich, dass es keinem anderen Land auf diesem Kontinent so verdammt gut geht wie dem unsrigen.
Klaviatur der Angst
Bosbach hetzt immerhin nicht gegen Flüchtlinge wie seine Kollegen, namentlich die CSU-Politiker Friedrich, Herrmann und Scheuer, wie ein Einspieler nochmal deutlich machte. Und er gibt sich auch nicht so borniert wie Thomas de Maizière, der als Innenminister eine ebenso klägliche Figur macht wie zuvor im Verteidigungsressort und jetzt den Schleppern das Handwerk legen will – dabei aber übersieht, dass es neben denen mafiöse Strukturen in afrikanischen Ländern gibt, die sich am Leid der Auswanderer bereichern wollen, wie Journalist Bauer berichtet.
Aber natürlich spielt auch Bosbach auf der Klaviatur der Angst vor den Fremden, wenn er ausmalt, wie viele kommen werden. Dass diese Prognosen interessengesteuert sind, machen andere Gäste Illners deutlich, Christopher Hein zuvörderst, der die politische Verantwortung der Regierenden anmahnt, die seiner Ansicht nach handeln, „als ob es um die Schlepper ginge“. Er hat in vielen Jahren in Krisengebieten erfahren, dass durchaus nicht alle Flüchtlinge bleiben wollen – im Gegenteil. Auch wenn Franziska Giffey (SPD), Bezirksbürgermeisterin in Berlin-Neukölln, schon jetzt doppelt so viele Auswanderer erwartet wie die Regierung angekündigt hat. Sie berichtet von „1000 Vorsprachen an einem Tag“ bei der Gesundheitsbehörde, vom Ärger über als Ausweichquartier besetzte Turnhallen, von der Langeweile als schlimmster Krankheit in den Unterkünften, wo die Menschen auf Arbeitserlaubnis warten. Und Maybrit Illner fragt Bosbach, wann denn Kanzlerin Merkel endlich mal sage, dass man den Gestrandeten helfe, „koste es was es wolle“.
Denn wofür wollen sie eigentlich das Geld des Steuerzahlers ausgeben, wenn nicht zur Rettung von Menschenleben? Ach, wir wissen es doch: zur Rettung von Banken.