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TV-Kritik Maybrit Illner TV-Kritik Maybrit Illner: Gegen die "Alterspanik"

Von Daland Segler 19.09.2014, 04:45
Maybrit Illner
Maybrit Illner ZDF und Carmen Sauerbrei Lizenz

Frankfurt - Dominique heißt ganz anders, aber ihren richtigen Namen würden ihre Schutzbefohlenen nicht verstehen, glaubt sie. Dominique kommt aus China und ist in Deutschland als Altenpflegerin angestellt – für nicht mal 2000 Euro brutto im Monat.

Aber in China bekäme sie doch nur 400 Euro, sagt Thomas Greiner, Präsident des Arbeitgeberverbands Pflege. Er ist bei Maybrit Illner zu Gast und soll Antworten auf die Frage geben: „Generation Pflegefall – Hilflos im Alter?“ Aber was soll er sagen, wenn er doch weiß, dass Menschen, die kranke alte Menschen pflegen, dafür viel zu schlecht bezahlt werden? Und dass auch deswegen ein eklatanter Mangel an Pflegekräften herrscht. Er sagt, der Verdienst von 2800 Euro brutto im Monat sei „so schlecht auch wieder nicht“. Er sagt nicht, welches Gehalt er bezieht. Aber in den Kommentaren im Netz zeihen ihn einige der Lüge: So viel bekomme eine Altenpflegerin nie und nimmer.

Aber davon abgesehen, dass es ohnehin pikant ist, wenn Besserverdienende über Schlechterverdienende sagen, so schlecht sei das doch nicht, schiebt Greiner den Schwarzen Peter rasch weiter. Die Tarife  müssten ja refinanziert werden und würden mit den Kommunen ausgehandelt,  die aber wollten keinen höheren Eigenanteil... Und dann sagt er noch: „Wir arbeiten mit dem, was die Gesellschaft bereit ist, uns zur Verfügung zu stellen.“ Profit machen will so ein Arbeitgeber ja nicht, oder?

Es sollte um die Pflege von kranken Betagten gehen bei Maybrit Illner, aber es ging letztlich immer wieder ums Geld. Auch wenn Siegfried Rauch, als Traumschiff-Kapitän bekannter, heute  82-jähriger Schauspieler, der seine Mutter  zuhause pflegte, erklärt,  man könne das nicht alles mit Geld lösen, so wurde im Laufe des Gesprächs doch deutlich: Man kann mit mehr Geld viel mehr lösen. Martina Rosenberg etwa, die ihre Eltern in ihrer Familie pflegte und daran „gescheitert“ sei, wie sie sagte, wies darauf hin, dass häusliche Pflege zu wenig finanzielle Unterstützung erfahre. Sie hat ein Buch mit dem furchtbaren Titel geschrieben: Mutter, wann stirbst du endlich?“

Gehalt nicht das dominierende Thema

Malu Dreyer, Ministerpräsidentin von Rheinland Pfalz, weiß es: „Wir brauchen Entlastung für Familien“.  Und will auch lieber nicht davon sprechen, dass Altenpflegerinnen hoffnungslos unterbezahlt sind, sondern lenkt ab: Das Gehalt sei nicht das dominierende Thema, sondern die Hetze. Vier bis sechs Minuten für das Anziehen...  Die Pfleger haben vielleicht Zeit zum Händewaschen, zum Hand halten aber nicht. Aber „die Minutenpflege kommt weg“, verspricht Malu Dreyer. Wann, sagt sie nicht. Und wer weiß, in wie wenigen Minuten eine Schwester in einem Heim wie viele Menschen versorgen muss, wundert sich, dass es überhaupt noch Menschen in diesen Beruf verschlägt.  Die meisten bleiben nicht mal zehn Jahre.

Kein Wunder also, dass junge Frauen aus China geholt werden. Was der Journalist Hajo Schumacher, Talkshow-Dauergast und diesmal als Autor eines Buches über Altenpflege bei Illner, „zynisch“ findet. Man könne doch nicht dem Ausland die Arbeitskräfte wegnehmen und das Problem dorthin verlagern. Kann man aber offensichtlich doch. Jede siebte Pflegekraft kommt aus dem Ausland.

Immerhin hat Schumacher einen anderen Ansatz: „Wir haben Alterspanik in Deutschland.“ Man müsse das Alter „entgiften“ zitiert er Frank Schirrmacher und dessen Buch „Methusalem-Komplott“. Schumacher hat bei seinen Recherchen andere Formen des Zusammenlebens im Alter gefunden, etwa bei alten Damen, die im Stile der Beginen in Essen in einem ehemaligen Finanzamt zusammenleben. Und Malu Dreyer, an MS erkrankt, lebt in einer Dorfgemeinschaft mit mehreren Generationen. Nachbarschaft sei ein guter Weg gegen die Einsamkeit und Hilflosigkeit im Alter, findet Schumacher.  

Eine Altenpflegerin hätte der Sendung sicherlich mehr Realismus verschafft. Aber das hätte ja unangenehm konkret werden können. Stattdessen verabschiedete sich Maybrit Illner mit einem von wohligem Optimismus bestimmten Ausblick, wer von ihren Gästen wie leben wolle im Alter. Von Geld war da dann lieber nicht mehr die Rede.