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TV-Kritik Maybrit Illner TV-Kritik Maybrit Illner: Die Macht der Bigotterie

Von Daland Segler 23.01.2015, 06:45

Frankfurt - Liebe Frau Illner, müssen Sie eigentlich jedes Mal einen Gast aus der Politik einladen? Und wenn Sie tatsächlich von Intendanz oder Fernsehrat dazu verdonnert sein sollten, muss es dann immer einer aus der CDU sein? Da sitzt ein echter deutscher Imam bei Ihnen am Tisch, und schon mit dem ersten Beitrag lässt er erkennen, wie viel und Wichtiges er zum Thema zu sagen hätte, aber dann muss er sich im Verlauf der Diskussion immer wieder diese mit ebenso viel missionarischem Eifer wie Unverstand vorgetragenen Meinungen von Julia Klöckner vorhalten lassen – die ihn bisweilen nicht mal ausreden lässt. Mitunter hatte die stellvertretende CDU-Vorsitzende bei ihren Ausführungen schon diese Attitüde, die an Sprüche wie „Die sollen sich erstmal integrieren“ denken ließ.

Nun war das Thema der Sendung: „Mord im Namen Allahs – Woher kommen Hass und Terror?" wahrscheinlich so etwas wie eine Ermutigung, die gerade populäre Meinung herzubeten, nun müssten die Muslime aber mal bei sich für Ordnung sorgen. Und tatsächlich wurde an diesem Abend deutlich, dass es erhebliche Schwierigkeiten gibt, die Muslime in Deutschland, will sagen: ihre verschiedenen Verbände, unter einen Hut bringen und so eine Art Instanz zu schaffen. Aber diese Erkenntnis war am wenigsten das Verdienst Julia Klöckners, sondern das von Seyran Ates, der kurdischen Anwältin, und Imam Husamuddin Meyer, Islamwissenschaftler und Gefängnisseelsorger, einer von – man traute seinen Ohren nicht  – gerade mal zwei vom Staat bezahlten muslimischen Geistlichen in deutschen Gefängnissen, die ja inzwischen als Brutstätte für Dschihadisten-Nachwuchs gelten.

Der Dschihad ist ein Männerproblem

Der Mann fiel nicht nur optisch aus dem Rahmen des üblichen Talkshow-Personals, sondern auch durch seine bedächtige, ja fast defensive Art des Vortrags. Meyer wies darauf hin, dass die Täter fast durchweg zuvor im Knast gewesen waren, dass sie meist aus nicht-religiösen Familien stammten und folglich „sehr wenig Ahnung“ vom Islam hatten. Und seine Darstellung des Islam als durch zwei Seiten, eine innere und eine äußere, geprägte Religion überstieg ohnehin die Dimension des Talk-Plauschs, wie Frau Klöckner umgehend belegte, indem sie vom „Absolutheitsanspruch“ des Islam faselte. Aber  – man kann es nicht oft genug wiederholen – wie in der Bibel auch finden sich im Koran Suren, die sich zur Begründung von Gewalt heranziehen lassen, wie Seyran Ates erläuterte, die im übrigen darauf verwies, dass der Dschihad ein Männerproblem sei. Islamexperte Guido Steinberg machte auch noch einmal deutlich, dass die selbsternannten Gotteskrieger  Texte aus dem Koran schlicht wörtlich nähmen – und dass die westlichen Gesellschaften vor allem deren Lesarten und Parolen wahr nähmen.

Trittin: „Eine Unverschämtheit und Bigotterie“

Was zu Maybrit Illners Frage führte, was das alles mit  unserer Gesellschaft zu tun habe. Eine ganze Menge. Jürgen Trittin wandelte den Satz von Christian Wulff (und dann auch Angela Merkel) dass der Islam zu Deutschland gehöre, um: Die Muslime gehörten zu Deutschland. Und argumentierte gegen den  immer wieder zu hörenden Vorwurf, der Islam sei rückschrittlich, mit Hinweis auf die Inquisition. Dass deren Brutalität in heutiger Zeit von den Terroristen exerziert werde, wollte Klöckner nicht verstehen, musste sich aber von Steinberg belehren lassen, dass dergleichen in Saudi-Arabien schon seit den siebziger Jahren üblich sei (der Fall des  dort jüngst zu 1000 Peitschenhieben verurteilten Bloggers Raif Badawy kam nicht einmal zur Sprache).

Wie bigott ist es, wenn wir die Saudis als Verbündete haben, fragte Maybrit Illner folgerichtig. Es ist schrecklich bigott. Und Trittin, der sonst wenig, aber Treffendes zur Debatte beitrug, ereiferte sich dann doch ein wenig: Wir sollten darüber reden, wie Deutschland und die USA mit den saudischen Wahabiten umgehen, denen wir Waffen liefern, das sei eine Unverschämtheit und Bigotterie, wetterte er und gab gleich noch dem FC Bayern München eins mit: Der „Mia san mia“-Club hatte dort im Rahmen seiner Vorbereitung ein Freundschaftsspiel absolviert und erst danach seine Ignoranz bemerkt.

Differenziertes Interview mit Islamwissenschaftler Bekim Agai

Auch Seyran Ates sprach von der Verlogenheit des Westens, der an der Radikalisierung der Islamisten mitgewirkt habe, und Steinberg schlüsselte die Geschichte von Fehlern und Katastrophen wie etwa des Irakkriegs auf, die ihren Teil dazu beigetragen hätten, dass Gewalttäter ein Motiv gefunden hätten. Das wollte die brave Christdemokratin natürlich nicht auf ihren westlichen Werten sitzen lassen und polemisierte schlicht und kurzschlüssig, dass man ja hier nicht schuld an Mord und Totschlag durch Dschihadisten sei. Dass sie ebenso einäugig davon ausging, dass alle Burka und Niqab tragenden Frauen von ihren Männern unterdrückt würden, belegt nur, wie fehl am Platze sie in dieser Runde war. Dort hätten zwei junge Muslime hingehört, die mit ihrer Plattform „i-slam“ den Dialog mit Hilfe der „Slam-Poetry“ befördern wollen. Maybrit Illner deutete aber an, dass die jungen Leute lieber außerhalb der Runde bleiben wollten. Schade drum.

Wer sich für differenzierte Darstellungen von Seiten der Muslime im aktuellen TV interessiert, sollte sich das Interview von heute.de mit Islamwissenschaftler Bekim Agai ansehen und vor allem das Gespräch, das  Dunja Hayali im ZDF-Morgenmagazin mit Ahmad Mansour führte, einem Psychologen und Mitglied der deutschen Islamkonferenz.