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Thüringen Thüringen: Historien-Fans inszenieren Napoleon-Schlacht

Von Christoph Borgans 16.10.2011, 07:28
Schauspieler in historischen Uniformen stellen am Samstag nahe Jena die preußisch-französischen Doppelschlacht von Jena und Auerstedt 1806 nach. (FOTO: DPA)
Schauspieler in historischen Uniformen stellen am Samstag nahe Jena die preußisch-französischen Doppelschlacht von Jena und Auerstedt 1806 nach. (FOTO: DPA) dpa-Zentralbild

Jena/dapd. - Trommelwirbel dringt durch die frische Oktoberluft,weiter hinten im Lager wiehern die Pferde. Der Italiener TassiereBance hat sein Gewehr geschultert, über seinem blau-roten Zweispitzfunkelt das aufgepflanzte Bajonett. «Gauche!» dröhnt das Kommando,Bance und die anderen Soldaten aus dem 'Bataillon des Tirailleurs duPô' marschieren nach links. Auch wenn kaum einer der Männerfranzösisch spricht, klappt das Exerzieren am Vorabend der Schlachttadellos.Tassiere Bance und seine Kameraden kommen aus Norditalien.In den Uniformen der napoleonischen Grande Armée stecken sie nur inihrer Freizeit. Sie gehören zu den rund 1.000 Historien-Fans ausganz Europa, die zum 205. Jahrestag die Schlacht von Jena undAuerstedt nachstellen und noch bis Sonntag (16. Oktober) am Rand desehemaligen Schlachtfeldes ihr historisches Biwak aufgeschlagenhaben. Eingeladen dazu hatte die Arbeitsgemeinschaft Jena 1806, diesich schon seit dreißig Jahren für die Ereignisse rund um dieSchlacht interessiert.

In Jena wurde Weltgeschichte geschrieben

«1806 liegt uns am Herzen», sagt deren Vorsitzender AlexanderBöhm. «Bei allem Schrecken, den Napoleon über Europa gebracht hat,haben seine Soldaten doch die Ideale der französischen Revolution zuuns getragen.» Auch die liberalen Reformen Preußens beruhten auf dervernichtenden Niederlage, die ihnen Napoleon in Jena zugefügt habe.«Hier wurde Weltgeschichte geschrieben», sagt Böhms VereinskameradJörg Nogohsek. «Eigentlich hätten die Preußen die französische Armeeüberrollen müssen», sagt Böhm, aber die flexiblere, entschlossenereKampfweise habe der Grande Armée den Sieg gebracht.Damit die Preußenim Sinne der Weltgeschichte auch im Jahr 2011 geschlagen werden, hatNogohsek einen genauen Plan ausgearbeitet. Auf einem Satellitenfotoerklärt er die Grenzen des Schlachtfeldes, mit blau-weiß-rotenPappkärtchen bewegt er die Bataillone der französischen Armee. DenOffizieren beider Heere wird er damit zeigen, was er von ihnenerwartet. «Wenn etwas schief läuft, greife ich ein. Notfalls perMeldereiter», sagt Nogohsek. Napoleon, dargestellt vomamerikanischen Schauspieler Marc Schneider, ist «bloße Staffage»,wie Böhm sagt.

Niemand will als Erster fallen

«Ein Problem wird die realistische Verwundetendarstellung», meintNogohsek, der im zivilen Leben als Chirurg arbeitet. Natürlich wolleniemand, der mehrere hundert Kilometer anreise, gleich zu Beginn deranderthalbstündigen Schlacht fallen. Es sei aber wichtig, dass manden Zuschauern auch das Leid vermittele. Seit 2005 beschäftigte sichNogohsek, der einen selbst genähten braunen Chirurgenrock Federhut,und Nickelbrille trägt, mit historischer Feldmedizin. Zusammen miteiner Maskenbildnerin mache er auch Vorführungen, meist würdenAmputationen nachgestellt.

Grollender Artilleriedonner

«Ein bisschen wenig Action», stöhnt eine ältere Frau am Rand derUmzäunung. Laut Veranstalter sind rund 5.000 Zuschauer gekommen, umdas Spektakel zu verfolgen. Dann reitet rechts von den italienischenTiralleurs preußische Kavallerie einen Angriff mit gezogenem Säbel.Salvenfeuer der Musketen und der Donner der Artillerie rollen überdas Feld. In den ziehenden Pulverschwaden taucht ein Chirurg inbraunem Rock mit Federhut auf. Ein paar Truppen sind nicht nach demSchlachtplan vorgegangen, dennoch wird Preußen unterliegen. DieWeltgeschichte ist gerettet. Jörg Nogohsek, der heimliche Feldherr,kann zufrieden sein.