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Thomaner Thomaner: Für immer jung

Von andreas hillger 19.03.2012, 09:19
Thomasschul-Leiterin Kathleen-Christina Kormann, Leipzigs OB Burkhard Jung und Bundespräsident Joachim Gauck mit seiner Freundin Daniela Schadt stehen vor dem Festakt "800 Jahre Thomana" in Leipzig mit Thomanern am Bachdenkmal. (FOTO: DPA)
Thomasschul-Leiterin Kathleen-Christina Kormann, Leipzigs OB Burkhard Jung und Bundespräsident Joachim Gauck mit seiner Freundin Daniela Schadt stehen vor dem Festakt "800 Jahre Thomana" in Leipzig mit Thomanern am Bachdenkmal. (FOTO: DPA) dpa-Zentralbild

Leipzig/MZ. - Zur 800-Jahr-Feier der Leipziger Thomana hatten Stadt und Land geladen, die Stammkirche des weltberühmten Thomanerchores war bis auf den letzten Platz gefüllt und vor den Toren applaudierte die wartende Menge dem Ehrengast.

Dass Gauck allerdings nicht zum Reden, sondern nur zum Hören gekommen war, stand bereits im Vorfeld fest - auch wenn er den Besuch schon lange vor dem vergangenen Sonntag, nämlich "am 27. Februar um 2.01 Uhr" bestätigt hatte, wie Thomaskirchen-Pfarrer Christian Wolff in seinem Grußwort verriet.

Ansprachen gab es natürlich dennoch - von Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD), der auch an die ideologischen Vereinnahmungsversuche des Chores durch die wechselnden Diktaturen des 20. Jahrhunderts erinnerte und der aktuellen politischen "Kulturinfarkt"-Debatte eine klare Absage erteilte. Vom sächsischen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich (CDU), der das einstige Augustinerkloster St. Thomas als Keimzelle sozialer Einrichtungen pries, zu denen neben der Thomasschule seit Anbeginn auch das Klinikum St. Georg zählt.

Und vom Leiter des Leipziger Bach-Archivs, Christoph Wolff, der natürlich vor allem pro domo sprach und Bachs Motetten als mustergültige Lehrstücke für einen Chor lobte, der sich durch Ab- und Zugänge in ständigem Wandel befindet und doch ein gleichbleibend hohes Niveau halten muss. Darüber habe schon Wolfgang Amadeus Mozart gestaunt, als er in Leipzig einst einer Singstunde der Thomaner lauschte. Und darüber staunten am Dienstag auch die Gäste beim Festakt, denen die jungen, 800-jährigen Jubilare drei Sätze aus "Singet dem Herrn ein neues Lied" zu Gehör brachten.

Dies, so Wolff, sei auch eine fortdauernde Herausforderung an eine kulturelle Institution wie den Knabenchor - nicht nur das Alte zu pflegen, sondern auch das Neue zu fördern. Und daher sei es besonders verdienstvoll, dass in den fünf Festmusiken des Jubiläumsjahres regelmäßig Uraufführungen erklingen.

Und während man den Chorknaben und den Musikern des Gewandhausorchesters unter Leitung des Thomaskantors Georg Christoph Biller zuhörte, konnte man die Gedanken weit in die lebendige Geschichte schweifen lassen - und sich dabei auch an die Wurzeln des sächsischen Stolzes auf dem Gebiet des heutigen Landes Sachsen-Anhalt erinnern.

Immerhin kamen die Chorherren, denen der Landgraf Dietrich von Meißen ein Kloster in Leipzig stiftete, aus der Abtei Neuwerk bei Halle. Der Minnesänger Heinrich von Morungen, der zehn Jahre nach der auf den 20. März 1212 datierten Bestätigung der Stiftung durch Kaiser Otto IV. im Kloster starb, stammte mutmaßlich von der gleichnamigen Burg bei Sangerhausen.

Einer von ihm ererbten Reliquie des Heiligen Thomas, die er vom Kreuzzug aus dem indischen Madras mitgebracht hatte, verdanken Chor und Kirche im übrigen wahrscheinlich ihren Namen. Später kamen diverse Thomaskantoren aus Sachsen-Anhalt nach Leipzig- so wie Johann Sebastian Bach, der zugunsten des Leipziger Amtes seine Kapellmeister-Stelle im anhaltischen Köthen aufgab, oder Wilhelm Rust, der aus Dessau stammte. Und selbst der aktuelle Amtsinhaber Biller wurde 1955 als Sohn eines Pfarrers in Nebra geboren.

Thomaskantor Georg Christoph Biller präsentiert die Festschrift «800 Jahre Thomana», die anlässlich des 800-jährigen Bestehens des Thomanerchores erschienen ist. (FOTO: DPA)
Thomaskantor Georg Christoph Biller präsentiert die Festschrift «800 Jahre Thomana», die anlässlich des 800-jährigen Bestehens des Thomanerchores erschienen ist. (FOTO: DPA)
dpa-Zentralbild