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Theater Theater: Glaubwürdig und wahrhaftig

Von Hilmar Bahr 30.03.2005, 06:49
Der Schauspieler Rolf Boysen probt in der Deutschen Oper Berlin in der Schönberg-Oper «Moses und Aron» seinen Auftritt als Moses (Archivfoto vom 23.09.1999). Ob Shakespeare oder Achternbusch - Boysen gibt jeder Figur eine unverwechselbare Prägung. Im Laufe seines langen Schauspielerlebens hat der gebürtige Flensburger fast die gesamte Theatergeschichte durchmessen. Boysen feiert am 31. März 2005 seinen 85. Geburtstag. (Foto: dpa)
Der Schauspieler Rolf Boysen probt in der Deutschen Oper Berlin in der Schönberg-Oper «Moses und Aron» seinen Auftritt als Moses (Archivfoto vom 23.09.1999). Ob Shakespeare oder Achternbusch - Boysen gibt jeder Figur eine unverwechselbare Prägung. Im Laufe seines langen Schauspielerlebens hat der gebürtige Flensburger fast die gesamte Theatergeschichte durchmessen. Boysen feiert am 31. März 2005 seinen 85. Geburtstag. (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

München/dpa. - Schon Boysens erster Auftritt am Residenztheater zeigte, wiewertvoll seine Schauspielkunst auch am neuen Haus ist. SeineDarstellung des Shylocks in Skakespeares «Kaufmann von Venedig»geriet zu einem bravourösen Kabinettstück. Die alten «Theaterrecken»Boysen und Thomas Holtzmann als Kaufmann Antonio schenkten sich inder vierstündigen Dorn-Inszenierung nichts. Selbst in den kleinstenNuancen ist die Bühnenpräsenz der beiden Gegenspieler spürbar. DornsEröffnungs-Premiere am Staatsschauspiel wurde zum gefeierten Hit undist bis heute ein Publikumserfolg.

Im Laufe seines langen Schauspielerlebens hat der gebürtigeFlensburger fast die gesamte Theatergeschichte durchmessen. Ob imantiken Drama, in Werken Shakespeares, den Stücken der deutschenKlassiker, der klassischen Moderne oder auch der zeitgenössischenDramatik - immer war es ihm gelungen, seine Figuren glaubwürdig undwahrhaftig darzustellen. «Er gibt ihnen, was ihnen scheinbar fehlt,Einfachheit und damit Leben», sagte Wieland Schmied, ehemaligerPräsident der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, bei derVerleihung des kulturellen Ehrenpreises der Stadt München an dengroßen Schauspieler.

Wie kaum ein anderer versteht es Boysen, für den nur das Theateroder die Kunst die existenziellen Fragen des Lebens beantworten kann,das Eigenleben einer Figur zu erkennen, gleichzeitig aber die Distanzzu wahren und hinter die verborgenen Dinge zu kommen. Er zeige dasLeben, wie es ist. «Nicht mehr und nicht weniger», wie es Wachsmannbei der Verleihung des Ehrenpreises beschrieb. Boysen selbst siehtseine Kunst eher nüchtern bescheiden: «Wir bauen an jedem Abendwieder neu. Und wenn der Vorhang zugeht, ist es wieder aus.» DasTheater ist - so Boysen in seinem 1997 erschienenen Buch «Nachdenkenüber Theater» - immer währende Vergeblichkeit.

Die enorme Bandbreite seiner Theaterkunst konnten die Zuschauerauch bei seiner letzten Rolle an den Kammerspielen mit Shakespeares«König Lear» erleben. Von herrschsüchtig, eitel, hochfahrend, spätergebrochen, zart, zerbrechlich bis kindisch in der Wut und kindlich imWahn hat Boysen als «Lear» alles gezeigt, was menschlich ist.«Theater spielen hält lebendig. Da oben den ollen Lear etwa, das istwas Wunderbares», meinte der große Mime zu seinem 80. Geburtstag.Sein Wunsch, endlich einmal den Shylock zu spielen, erfüllte sichwenig später auf der gegenüberliegenden Straßenseite am «anderenHaus».