Theater Altenburg-Gera Theater Altenburg-Gera: Verschwitzte Boxer im barocken Konzertsaal
Gera/MZ. - Als Aufgalopp zu einem Brecht-Spektakel, wie es jüngst zum Welttheatertag in Gera veranstaltet wurde, kam der Oberliga-Kampf zwischen Thüringern und Rostockern gerade recht. Boxen hat Brecht gemocht. Auch Zigarren, Schiebermützen, Automobile und schöne Frauen. Von allem gab es frische Proben an diesem langen Abend, der die Klischees gottlob nicht museal vollstreckte. Augenzwinkern war erkennbar wie Mut zur Gegenwart. Sowas muss ein Klassiker aushalten können.
Erstmals zur Bühnen-Sache ging es mit dem "Aufhaltsamen Aufstieg des Arturo Ui", inszeniert von der jungen Regisseurin Andrea Moses. In der Titelrolle des kleinen Gangsters, aus dem schließlich ein großer Führer wird, agiert Franz Sodann. Sein Arturo Ui ist smart und eher kühl. Nicht den Furcht erregenden Dämon zeigen Moses und Sodann, sondern einen genau kalkulierenden Mann in einem genau kalkulierten System. Der Kapitalismus, wiederholen wir frei nach Brecht, ringt rabiat um seine Existenz.
In dieser Lesart ist es bis zur Globalisierung nicht weit zu denken. Das verträgt Brechts im Exil geschriebener "Arturo Ui" locker, die funkelnden Daimler-Limousinen zum Auftakt im Foyer haben Witz, weil sie Männerträume spiegeln. Ein wenig ungewiss bleibt allein die Pointe, so schlüssig sie gedacht sein mag: Als Arturo Ui sie endlich alle an der Kandare hat, tänzeln die ehemaligen Konkurrenten als ein Ballett debiler Teletubbies herein. Willkommen in der Spaßgesellschaft, heißt das. Und zielt wohl nun irgendwie auf uns: das Publikum, das Volk, den Souverän?
Auch Wolfgang Pintzkas Inszenierung der "Flüchtlingsgespräche" sucht den Bezug zur Gegenwart. Der 1928 Geborene, der in den 60er Jahren einmal Intendant in Gera war und seit 1984 in Oslo lebt, lässt dem Arbeiter Kalle (Andreas Unglaub) und dem Physiker Ziffel (Ulf Perthel) viel Raum, ihre Annäherung im Ungewissen des Exils zu spielen. Dabei leuchtet Brechts scharfer Witz so hell herüber in unsere Tage, dass man auf eine gut gemeinte Kohl-Parodie getrost verzichten könnte. Die Freude an einem gelungenen Abend schmälert das indes nicht. Brecht ohne Ende, hieß das Motto, nicht ohne List.