Talk bei "Anne Will" Talk bei "Anne Will": Der Kindergeburtstag für Griechenland ist vorbei

Talkshows zum Thema Griechenland sind längst schon die tägliche Seifenoper für Politik-Junkies. Anders als diese Serien läuft die Griechenland-Saga jedoch nicht nur auf einem Sender, sondern auf allen - zumindest allen öffentlich-rechtlichen. Wie in den Seifenopern ist auch der Darstellerkreis in den Talkshows übersichtlich und dadurch von hohem Wiedererkennungswert, was die Rollenmuster betrifft. Einer gegen die Griechen, einer für die Griechen, ein Grieche und ein leidlich Unparteiischer.
Herr Giorgos Chondros vom Zentralkomitee der regierenden Syriza-Partei - der Grieche - sei seit der vergangenen Woche einfach im Studio sitzen geblieben, sagte Anne Will deshalb am Mittwochabend in ihrer Talkshow süffisant und machte damit wohl ungewollt das Problem deutlich. Alles scheint sich im Kreis zu drehen, und so ist es wohl auch tatsächlich. Die einzige Veränderung ist, dass diese Kreisbewegung immer schneller wird. Irgendwann, so denkt man, muss doch einer aus der Bahn getragen werden und sich den Hals brechen. Dann ist es endlich zu Ende. Aber das ist es bisher noch immer nicht.
Kontrahenten Kauder und Wagenknecht
In dieser Woche musste es zwangsläufig um das bevorstehende Referendum gehen. Rasch, rasch, denn es steht ja schon in wenigen Stunden bevor. Doch so viel Zeit muss sein: Volker Kauder, der Fraktionschef der Union im Bundestag, und Sahra Wagenknecht, stellvertretende Fraktionschefin der Linken ebendort, referierten zunächst unverdrossen, was bisher geschah. Man habe den Griechen geholfen, Angebote gemacht, immer wieder die Hand ausgestreckt, die Türen offen gehalten, kurz:. redlich bemüht habe man sich, versicherte Herr Kauder.
Was Frau Wagenknecht - wie nicht anders zu erwarten in ihrer Rolle als Opposition - vehement und in einem Wortschwall ohne Punkt und Komma bestritt. „Nicht jeder kommt sofort mit“, sagte Anne Will einmal seufzend.
Das war die Untertreibung des Abends. Die Linken-Politikerin brannte ihr Zahlenfeuerwerk in einer Geschwindigkeit ab, als hätte sie eine Wette abgeschlossen, sie könne eine mehrseitige, detailreiche Finanzanalyse in weniger als einer Minute aufsagen. Oder als würde sie fürchten, nie mehr zu Wort zu kommen. Dabei bestreitet sie gefühlt mehr als zwei Drittel der Sendung mit ihren ausschweifenden Vorträgen. Der revolutionäre Furor der Linken-Politikern schadete ihr nur deshalb kaum, weil ihre Argumentation wie die Kauders hinlänglich von früheren Auftritten bekannt ist.
Grexit hat Schrecken verloren
Der Grieche in der Runde wich wiederholt mit großem Geschick den Fragen aus und beteuerte, die Griechen wüssten, worüber sie am kommenden Sonntag abstimmen würden. Um dann den Eindruck zu hinterlassen, dass er selbst es nicht wirklich weiß. Das Referendum führe eine demokratische Entscheidung der griechischen Bevölkerung herbei, die dann von den anderen Europäern doch respektiert werden müsse, schien sein Glaube. Oder anders gesagt: Wenn die Griechen sich klar gegen die Sparpolitik entscheiden, dann dürfen die anderen Europäer sie auch nicht von ihnen fordern.
Diese Illusion versuchte ihm der Luxemburger Finanzminister Pierre Gramegna mit großer Ruhe zu nehmen. Er verwies darauf, das die Euro-Verträge ein System von Regeln sind, und das nicht einer den 18 anderen neue Regeln aufnötigen kann. Wer „drin bleiben“ will in diesem System, was die griechische Regierung ja nach eigenem Bekunden wolle, der müsse sich an die Regeln halten. Griechenland halte sich daran faktisch jedoch seit 2009 nicht mehr.
In Problemen befinde sich Griechenland, nicht die Eurozone. Die sei auch nach der faktischen Staatspleite am Mittwoch stabil geblieben - sowohl die Währung als auch die Börsen. Im Klartext hieß das nichts anderes: Ein Grexit ist keine schöne Vorstellung, aber sie hat ihren Schrecken für die Länder der Eurozone längst verloren.
Schwer oder noch schwerer
Ganz am Schluss erst erst ging es dann tatsächlich noch einmal direkt um die Frage, welche Bedeutung das griechische Referendum am kommenden Sonntag denn hat. Zumindest die Antwort, die Kauder und der luxemburgische Finanzminister gaben, hatte man nach der vorausgegangenen Diskussion schon ahnen können.
Nein oder Ja: Faktisch ist es egal, wie die Griechen abstimmen werden. Die beiden Vorschläge der EU, zu denen sie befragt werden, liegen längst nicht mehr auf dem Tisch. Sie werden auch nicht mehr auf den Tisch kommen. Inzwischen ist die Sache längst - auf Wunsch des griechischen Regierungschefs Tsipras übrigens - auf einer völlig anderen Ebene. Jede künftige Hilfe würde aus dem Europäischen Rettungsschirm ESM kommen.
Und was das bedeutet, machte Kauder unmissverständlich deutlich: Dagegen war alles bisher dagewesene quasi ein Kindergeburtstag, die ESM-Regeln sind nämlich noch härter als die des Rettungspakets. Vor allem ist es ein längerer Weg für diesen Prozess. Das griechische Volk könne nach Ansicht Kauders nur darüber entscheiden, ob es ab Montag schwer werden wird oder noch schwerer. Die Regierung in Athen solle nun endlich einmal ein Geschäftsmodell vorlegen, welche Ziele sie denn anstrebe.
Das hatte Pierre Gramegna am Beginn der Sendung noch freundlicher gesagt. Der Sonntag markiere nicht das Weltende, konnte man da sinngemäß hören. Die griechische Regierung wisse, dass sie Hilfe bekommen könne. Die Tür sei offen. Wie oft hat man das in den letzten Tagen gehört?

