Suhrkamp Suhrkamp: Verlagsleiter Siegfried Unseld starb mit 78 Jahren

Frankfurt/Main/dpa. - Bundeskanzler Gerhard Schröder drückte der Witwe Ulla Berkéwicz ineinem Kondolenzschreiben sein «tief empfundenes Beileid aus». «Wiekaum ein anderer hat Siegfried Unseld die Entwicklung Deutschlandsüber nahezu ein halbes Jahrhundert mitgestaltet», schrieb Schröder.Die Kultur in Deutschland verliere mit Unseld «einen der großenRepräsentanten und Förderer». Das geistige und kulturelle Lebenunserer Republik seit den fünfziger Jahren sei «maßgeblich geprägtvom Suhrkamp Verlag, den Siegfried Unseld erfolgreich, mit hohemintellektuellen Anspruch und großer gesellschaftlicher Verantwortunggeleitet hat».
Kulturstaatsminister Christina Weiss würdigte Siegfried Unseld als«zentrale Instanz des geistigen Lebens in Deutschland». Der von ihmgeleitete Suhrkamp Verlag stehe wie kaum ein anderer für denintellektuellen und literarischen Aufbruch des Landes nach 1945.
Für den Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki ist Unseld weitmehr gewesen als ein bedeutender Verleger: «Er hat das geistige Lebendes ganzen deutschsprachigen Raums geprägt wie kein anderer Verlegerje.» Unseld habe nicht nur die Literatur gefördert, er habe auch dieDiskussion darüber «geprägt und gestaltet und geführt». Mit ihmverliere Deutschland «eine der stärksten Persönlichkeiten desKulturlebens in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts». Auch alsAutor habe Unseld «in seinem Fachgebiet Hochbedeutendes geleistet».Sein Buch über Goethe und seine Verleger sei ein sehr wichtiges Werk.Über den Menschen Unseld sagte der Kritiker: «Kennzeichnend für seinePersönlichkeit war eine außergewöhnliche Vitalität und eine enormeLeidenschaft: Das Buch war seine Passion.»
Nach Ansicht des Rhetorikprofessor Walter Jens hat «keiner für dieLiteratur so weite Gebiete geöffnet, national wie international».Ohne Einschränkung könne er sagen: «Unseld war der Erste seinerZunft».
Auch der Schriftsteller Martin Walser, dessen umstrittenes Buch«Tod eines Kritikers» im Suhrkamp-Verlag erschienen ist, zeigte sichbetroffen über den Tod des Suhrkamp-Chefs. «Er wird den einen mehr,den anderen weniger fehlen. Mir mehr», sagte Walser, der inÜberlingen am Bodensee wohnt, der dpa. Der Schriftsteller SiegfriedLenz betonte, beispielhaft sei vor allem die Art gewesen, wie Unselddie Beziehung zu seinen Autoren - manchmal wie ein Übervater -pflegte und sie kritisch begleitete.
«Es hat keinen Verleger im letzten Jahrhundert gegeben, der soviel angestoßen hat und mit einer solchen Verve hinter seinen Autorengestanden hat wie Siegfried Unseld», sagte der Vorsteher desBörsenvereins des Deutschen Buchhandels, Dieter Schormann, der dpa.Unseld sei für viele Autoren «eine Vaterfigur» gewesen. Der Präsidentder Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, Klaus Reichert,sagte, Unseld habe jedem Autor das Gefühl gegeben, der Größte zusein, «deshalb haben sie ihn auch so geliebt». Mario Vargas Llosa,peruanischer Schriftsteller und Suhrkamp-Autor, charakterisierte inder «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» Unseld als «Anwalt seinerAutoren, großzügig wie ein Renaissanceherrscher».
Der diesjährige Literaturnobelpreisträger und Suhrkamp-Autor Imre Kertész erklärte in der FAZ: «Das war noch eine Freude für ihn(Unseld), dass er wieder einen Autor gewählt hat, der diesen Preis(Nobelpreis) bekommt. Das andere, was ich sagen möchte: Diese ArtMänner wie er einer war, diesen Gründertyp, gibt es nicht mehr.Vielleicht war er der letzte.»